Von Adam und Eva bis zur islamischen Scharia – Religionen sind voller Rätsel. Der Theologe Wolfgang Reinbold versucht, sie kurz und verständlich zu erklären. Warum er religiöses Wissen für wichtiger denn je hält.
Dürfen gläubige Muslime echt keinen Alkohol trinken? Warum heißt der Hass auf Juden eigentlich Antisemitismus? Und warum ist Himmelfahrt Vatertag? Die Religionen stecken voller Geheimnisse, die teils auch den Alltag nicht-religiöser Menschen prägen. In einer spirituell zunehmend bunter werdenden Gesellschaft, wird es zugleich immer schwieriger, den Überblick zu wahren.
Mit seinem kürzlich erschienenen Buch “Warum ist der Buddha so dick?” will der evangelische Theologe Wolfgang Reinbold dabei helfen. Darin gibt der Professor, der Neues Testament an der Universität Göttingen lehrt, Antworten auf 101 Fragen aus der Welt der Religionen. Er fängt buchstäblich bei Adam und Eva an. Reinbold erklärt, dass die Namen der laut Bibel ersten Menschen auf die hebräischen Wörter adamah (der aus der Erde) und chai (Leben) zurückgehen.
In jeweils maximal eine Seite langen Texten erfährt der Leser, dass Alkoholgenuss nach üblicher Auslegung des Korans tatsächlich verboten ist. Dass der Begriff “Antisemitismus” eine Erfindung von Judenhassern aus dem 19. Jahrhundert ist. Und dass die berüchtigten Vatertagsausflüge den christlichen Brauch der Himmelfahrtsprozessionen aufgreifen.
Reinbold will Religion so einfach erklären, dass auch Menschen, die sich nicht im Studium damit befasst haben und die nicht religiös sind, es verstehen können, sagte er in einem Interview des “Deutschlandfunks”. Beim Wissen über Religion erkennt er hierzulande zwei Entwicklungen: “Das selbstverständliche Wissen über Christentum – und das hieß in Deutschland bis vor Kurzem immer evangelisch, katholisch – das nimmt ab.” Zugleich komme ein neues Wissen hinzu, was die anderen Gemeinschaften anbetrifft.
“Wenn Sie vor 40 Jahren gefragt hätten, was ein Iftar ist, hätte das vermutlich in der allgemeinen Gesellschaft so gut wie niemand gewusst”, so der Theologe mit Blick auf die gemeinsamen abendlichen Mahlzeiten im muslimischen Fastenmonat Ramadan. “Wenn Sie das heute fragen in den Schulen und auch in der allgemeinen Öffentlichkeit, werden Sie Quoten von weit über der Hälfte bekommen, die das selbstverständlich wissen.” Auch Begriffe wie “Ramadan” oder “Sabbat”, also der wöchentliche jüdische Ruhetag, seien mittlerweile weitbekannt.
Das Wissen um religiöse Traditionen hält Reinbold in der multikulturellen Gesellschaft für unabdingbar. Als Beispiel nannte er die Planung eines Elternabends in einer Schulklasse. Wer nicht in den interreligiösen Kalender schaue und den Termin an einem der großen muslimischen Feste ansetze, müsse damit rechnen, dass muslimische Eltern gar nicht kommen. “Oder wenn Sie versuchen bei einer Veranstaltung aus der jüdischen Gemeinschaft jemanden zu gewinnen und Sie übersehen, dass Jom Kippur ist, auch dann werden Sie Mühe haben.” Er wünsche sich, “dass wir nicht bloß an die christlichen Üblichkeiten denken, die ja hier in Deutschland nach wie vor den Kalender bestimmen.”
Reinbolds Buch ist aus einer Radio- und YouTube-Reihe hervorgegangen, die er seit 2020 gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen produziert. Unter dem Titel “Religion in 60 Sekunden” beantwortet der Theologe, der auch Beauftragter für Interreligiösen Dialog der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ist, Fragen aus der Welt der Religion in maximal einer Minute. Das Spektrum reicht von “Was ist die Scharia?” oder “Was bedeutet Thora?” bis hin zu “Wer sind eigentlich die Uiguren, und was haben sie mit dem Islam zu tun?”.
“Ich merke selbst, dass ich bei manchen Fragen, die die Redaktion mir stellt, dazu lerne, weil ich gezwungen bin, Dinge auf den Punkt zu bringen, die ich vorher vielleicht so ungefähr hätte beantworten können, aber nicht genau”, so Reinbold im “Deutschlandfunk”. Seiner Ansicht nach lässt sich zwar nicht jede Religionsfrage umfassend in 60 Sekunden beantworten, aber doch so, dass man einen Einstieg in das Thema bekomme und sich eine seriöse Meinung bilden könne. “Und sei es die Meinung: Es gibt sehr widersprüchliche Positionen dazu oder es hängt stark von der Auslegung ab.”