Neuer Geist vom Ende der Welt

Der neue Papst erinnert an Johannes XXIII. Römische Eindrücke von den ersten Tagen von Franziskus.

Von Jens-Martin Kruse

Es liegt in diesen Tagen ein Hauch von Frühling in der römischen Luft. Nicht nur im meteorologischen Sinne. Seit am vorvergangenen Mittwochabend der weiße Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufgestiegen ist, scheint auch in der römisch-katholischen Kirche eine neue Zeit anzubrechen. Vor Beginn des Konklaves war die Stimmung in Rom eher gedrückt und verzagt. Bei vielen Menschen war die Sorge groß, dass sich auch mit einem neuen Papst wenig ändern werde und dass wieder die Kräfte in der Kirche die Oberhand behalten werden, die die notwendigen Reformen im Keim ersticken würden. Mit dem ersten Auftritt von Papst Franziskus hat sich diese Einschätzung spürbar verändert. Dabei sind es eigentlich nur kleine, unscheinbare Zeichen, die der neue Papst bisher gesetzt hat und doch sprechen sie eine deutliche Sprache der Veränderung.

Verzicht auf’s goldene Kreuz

Als Kardinalprotodiakon Jean-Louis Tauran vom Balkon des Petersdoms mit zittriger Stimme verkündet hatte: „Annuntio vobis gaudium magnum; habemus Papam: Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Georgium Marium Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Bergoglio qui sibi nomen imposuit Franciscum“, brach zwar bei den gespannt wartenden Menschen auf dem Petersplatz großer Jubel aus, doch viele fragten sich überrascht: „Chi? Bitte, wer ist der neue Papst? Ist es wirklich ein Argentinier, kein Italiener? Und er nennt sich Franziskus? Wie er wohl sein Amt ausüben wird?“Gleich mit seinem ersten Auftritt am 13. März hat der neue Papst Zeichen gesetzt, die viele überrascht haben. Auf die Benediktionsloggia von Sankt Peter trat er im weißen Gewand, ohne die Mozetta, jenen roten Schulterumhang, der früher zum Zeichen königlicher Macht einen Hermelinrand hatte. Auch auf ein goldenes Kreuz verzichtete er und behielt sein einfaches Metallkreuz, das er als als Erzbischof von Buenos Aires trug, auf der Brust. In seiner kurzen Ansprache, die er mit den Worten „Guten Abend“ begann und mit „Gute Nacht, ruht euch aus“ endete, stellte er sich bescheiden als neuen Bischof von Rom vor, den die Kardinäle „fast vom Ende der Welt geholt hätten“.

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