Neuer Caritasdirektor: Situation ist durchaus angespannt

Thomas Keitzl ist seit Jahresbeginn neuer Direktor des Diözesan-Caritasverbandes im katholischen Bistum Magdeburg. Geboren 1976 in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) war er ab 2013 Finanzchef der Caritas Mecklenburg, bevor er den Verband als Direktor 2018 gemeinsam mit Steffen Feldmann in die Fusion zur „Caritas im Norden“ des Erzbistums Hamburg führte. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht Keitzl von den schwierigen Rahmenbedingungen, mit denen sein Sozialverband zu kämpfen hat.

epd: Herr Keitzl, nach Jahren im Norden kehren Sie wieder nach Sachsen-Anhalt zurück. Wie fühlt sich die Heimkehr an?

Thomas Keitzl: Schon positiv. Es ist ein gutes Gefühl, wieder hierherzukommen. Es waren doch 25 Jahre, in denen ich nicht hier im Land gelebt und gearbeitet habe. Es hat sich in Sachsen-Anhalt mehr verändert, als ich mir vorgestellt hatte – aber in allen Bereichen zum Positiven. Ich kannte Magdeburg aus der Zeit Anfang der 1990er Jahre, und bin überrascht, wie sich die Stadt entwickelt hat. Das gilt auch für die Caritas, da ist extrem viel passiert, neue Bereiche sind hinzugekommen.

epd: Was unterscheidet denn die Caritas von der im Norden – gibt es da Mentalitätsunterschiede?

Keitzl: Ja, sicherlich auch. Das Erste, was auffällt: Die Caritas ist hier strukturell anders aufgestellt. Hier gibt es einen Diözesan-Caritasverband, der mit einigen Ausnahmen nicht Träger von Einrichtungen und Diensten ist. Dafür gibt es die Tochtergesellschaften ctm (Caritas-Trägergesellschaft St. Mauritius gGmbH), cbw (Caritas-Behindertenwerk GmbH Burgenlandkreis) und die beiden Regionalverbände in Halle und Magdeburg. Im Norden ist das anders. Und der zweite große Unterschied: die Fläche. Die ist hier auch nicht gerade klein, aber im Erzbistum Hamburg mit zweieinhalb Bundesländern nochmals viel größer. Und bei der Mentalität merkt man: Hamburg als Stadtstaat ist schon etwas Besonderes. Die Verbände im Norden erlebten ja 2018 ihren Zusammenschluss und es lässt sich sagen: Alles braucht seine Zeit. Auch hier im Bistum Magdeburg gibt es mit dem Diözesan-Caritasverband und den Tochtergesellschaften rechtlich eigenständige Träger, die sich über die Jahre unterschiedlich entwickelt haben. Von daher sehe ich viele Parallelen.

epd: Was planen Sie konkret: Eine Fusion der Verbände oder eine stärkere Zusammenarbeit? Sind Sie als Sanierer gekommen?

Keitzl: Nein, als Sanierer bin ich nicht gekommen, sondern eher, um den Strukturprozess weiter voranzubringen. Der wurde ja bereits unter meiner Vorgängerin Cornelia Piekarski begonnen, nun nehmen wir neuen Schwung auf. Es geht darum, die einzelnen Verbände und Bereiche miteinander zu verbinden, um die Caritas im Bistum zukunftsfähig aufzustellen. Wie auch alle anderen Wohlfahrtsverbände haben wir mit den veränderten Rahmenbedingungen zu tun, die zahlreiche Herausforderungen mit sich bringen. Das sind vor allem der Fachkräftemangel oder geringer werdende finanzielle Ressourcen der Kostenträger, insbesondere der Kommunen, die vor allem durch die Corona-Zeit stark belastet sind. Das sind Dinge, auf die wir uns einstellen müssen. Das heißt, die Kräfte zu bündeln und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zum Wohle des Verbandes einzusetzen.

epd: Sind Fusionen vorgesehen?

Keitzl: Es ist am Ende so gedacht, dass der Diözesan-Caritasverband wie in vielen anderen Bistümern auch als Spitzenverband agiert und Dienstleistungen für die weiteren caritativen Einrichtungen und Dienste im Verband erbringt. Das heißt, es wird dann auch weiterhin eine Tochtergesellschaft geben. Wir schauen, wie wir unter diesem Dach Kräfte bündeln können. Wichtig ist uns, dass wir als Einheit „Die Caritas im Bistum Magdeburg“ auftreten. Es ist nach außen sehr schwer zu vermitteln, dass es unterschiedliche caritative Träger gibt. Da kann ich durch meine Arbeit bei der Caritas im Norden viele Erfahrungen mit- und einbringen.

epd: Wie stark wirkt sich der Fachkräftemangel mittlerweile aus und wie gehen Sie damit um?

Keitzl: Die Gestaltung der Dienstpläne ist in den Einrichtungen und Diensten schwieriger geworden. Hinzu kommt durch die Belastungen der letzten Jahre auch ein höherer Krankenstand. Das ist – leider – nichts Besonderes. Es kommt vor, dass Plätze zum Beispiel im Altenheim frei bleiben, weil wir die Personalquote nicht immer erfüllen können. Wir sind gerade dabei, das Personalmanagement auszubauen, insbesondere im Hinblick auf die Gewinnung von Fachkräften. Aufgrund der Situation am Markt ist das natürlich schwieriger geworden, weil alle um die weniger werdenden Menschen werben. Für den Dienst am Menschen im Schichtdienst muss man letztlich geboren sein und dafür leben. Auch das Thema „ausländische Pflegekräfte“ steht auf der Agenda.

epd: Aus der Kirchenmitgliedschaftsstudie wird deutlich, dass die Arbeit der Caritas gerade von Außenstehenden an der Kirche am meisten geschätzt wird. Sind Sie eine Art Aushängeschild, das in die Gesellschaft hineinwirkt?

Keitzl: Caritas oder Diakonie sind Dinge, die Menschen – ob christlich sozialisiert oder nicht – ansprechen. Viele Menschen verbinden damit etwas, können damit etwas anfangen. Sie entscheiden sich oft bewusst dafür, zu einer Beratungsstelle der Caritas oder Diakonie zu gehen, weil sie wissen, da bekommen sie professionelle Hilfe und Unterstützung. Ja, von daher stimmt die Rede vom Aushängeschild, weil es die Nächstenliebe konkret mit Leben füllt. Hier lassen sich persönliche Erfahrungen mit Kirche machen. Aber: Caritas und katholische Kirche gehören zusammen – auch wenn das nicht immer so gesehen wird.

epd: Was ist der Mehrwert christlicher Sozialverbände? Warum sollte auch ein Nichtchrist zum Beispiel in ein katholisches Altenheim oder Krankenhaus gehen – was ist da anders?

Keitzl: Der Umgang mit den Menschen sollte anders sein, aber auch der Mitarbeiter untereinander und des Dienstgebers mit den Mitarbeitern. Das ist mein Wunsch und meine Vorstellung. Untersuchungen zeigen, dass sich viele Menschen bewusst für eine christliche Einrichtung entscheiden. Viele sagen nach wie vor: Es macht einen Unterschied! Der christliche Glaube, das Menschenbild, all das muss in den Einrichtungen spürbar sein und die Menschen müssen es spüren.

epd: Ist die Finanzierung freier Träger ausreichend gesichert?

Keitzl: Schwieriger ist es ganz sicher geworden, auch durch die Corona-Jahre, wo die öffentlichen Kostenträger mit hohen Ausgaben konfrontiert waren und nun verstärkt schauen, welche Leistungen sie noch anbieten können. Gerade die freiwilligen Leistungen stehen auf dem Prüfstand. Wir merken dies bei den Verhandlungen der Kostensätze. Es ist schwieriger geworden, auch die Personalkosten umzusetzen. Die sind mit rund 80 Prozent der größte Kostenblock. Und wir haben schließlich auch deutliche Gehaltssteigerungen zu bewältigen, wie in anderen Branchen auch. Es ist ein großes Problem im System, dass in der Altenpflege die Kostensteigerungen momentan noch komplett zulasten der Bewohnerinnen und Bewohner gehen. Wir befinden uns immer in dem Spagat einer guten Bezahlung der Mitarbeiter. Andererseits wollen wir aber auch den Menschen ermöglichen, in unsere Einrichtungen zu kommen. Die Situation ist insgesamt durchaus angespannt. Deshalb ist es wichtig, dass wir unseren Strukturprozess – wir sprachen darüber – intensiv weiterführen.