Neue Waffe gegen Kleinkriminalität

Viele Urlauber und Fernreisende haben es schon erlebt: Beim Bummel durch die Innenstadt verschwindet plötzlich die Geldbörse – oder jemand hat sich heimlich am Rucksack zu schaffen gemacht. In Kolumbiens Hauptstadt Bogota sollte man in einigen Bereichen keinen Schmuck und keine Armbanduhr offen tragen, wenn man sich Räuber vom Leib halten will, berichtet der gebürtige Kolumbianer Jeudyl Robles Pidiache. Der 21-Jährige will von Konstanz aus Stadtbesuche sicherer machen – mit einer App namens Safezone (Sicherheitsbereich).

Bogota registriere jeden Monat 30.000 Kriminalfälle, berichtet er. Allerdings sei nicht immer klar, in welchen Gegenden die Langfinger und Straßendiebe gerade besonders aktiv sind. Die Grundidee von Safezone: Aktuelle Daten zu einschlägigen Straftaten werden gesammelt und in eine elektronische Karte eingezeichnet. Daraus lassen sich sogenannte Heatmaps erstellen, die die Bedrohungslage anzeigen. Rot ist sehr gefährlich und signalisiert, dass man diese Gegend momentan besser meidet. Orange zeigt ein mittleres Risiko an, bei Grün dürfte die Sicherheit am höchsten sein.

Die größte Herausforderung für diese Karten ist die Beschaffung der Daten. In einer ersten Stufe sind es die Nutzer selbst, die über Vorfälle berichten – entweder als Opfer einer Straftat oder als Zeuge. In einer App können sie entsprechende Informationen eintragen. Da zu jedem Vorfall der genaue Ort festgehalten wird, entsteht in Echtzeit eine Heatmap. Klar ist dabei auch: Je mehr Leute mitmachen, desto präziser ist die Einschätzung der Sicherheitslage. In Bogota haben die Entwickler in einem Pilotprojekt die App gestartet.

Natürlich ist es mühsam, nach dem Schock einer Straftat auch noch eine App mit Daten zu füttern. In einer wesentlich verbesserten App-Version, die ab Dezember heruntergeladen werden kann, soll es deshalb einen Chatbot geben, der die Eingabe noch einmal erleichtern wird. Zudem haben die Programmierer Sicherheitsalgorithmen eingebaut, um falsche Angaben zu erkennen und Missbrauch zu verhindern. Die Versuchung beispielsweise für einen Hotelbesitzer, vor dem Haus seines Konkurrenten möglichst viele Diebstähle zu melden – auch wenn gar keine stattgefunden haben – wäre sonst zu groß.

Um die Qualität der Daten zu verbessern, werden sich die Macher von Safezone in den kommenden Monaten und Jahren neue Quellen erschließen. So ist eine Zusammenarbeit mit der Polizei geplant, die Informationen über Straftaten zur Verfügung stellen soll – und die umgekehrt Informationen aus der App nutzen kann. Online-Zeitungen sollen elektronisch nach Vorfällen durchforstet werden, die dann ebenfalls auf der Gefahrenkarte landen. Sogar den Einsatz von Drohnen streben die Betreiber von Safezone an, um das Sicherheitsbild zu präzisieren – was allerdings im Blick auf Rechtsvorschriften und Versicherungen ein komplexes Unterfangen ist und deshalb Zeit braucht.

Geleitet wird das Unternehmen von einem Trio. Neben Pidiache, der in Friedrichshafen Avionik studiert, sind das der ehemalige Informatikprofessor Alexis Ballesteros als Geschäftsführer und die Internetexpertin Laura Picón für die Aktivitäten im weltweiten Netz. Pidiache ist für die Finanzen zuständig. Vier Freelancer helfen dem Leitungsteam, die Vision umzusetzen. Neben Bogota finden sich inzwischen auch einige Nutzer in Nigeria, wo es um die Sicherheit in großen Städten ebenfalls schlecht bestellt ist.

Der christliche Glaube ist die entscheidende Motivation für Pidiache, Safezone weiterzuentwickeln. Der junge Mann mit dem kurzen, nach hinten frisierten Haar trägt gerne einen Davidstern und ein Kreuz an seinem Hals. Sein Lieblingsvers in der Bibel steht im Johannes-Evangelium, Kapitel 8, Vers 32, wo Jesus sagte: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Safezone trage sehr zur Wahrheit bei – deshalb sei es für die Verantwortlichen besonders wichtig, dass die eingepflegten Daten auch stimmen, sagt er.

In seiner Freizeit läuft Pidiache Marathon. Dann trägt er sein Safezone-Shirt, um seine Botschaft unaufdringlich unter die Leute zu bringen. Auch sein Einsatz für mehr Sicherheit in den Straßen der Städte betrachtet er als Marathonlauf. Es braucht einen langen Atem, um Kriminellen die Grundlage für ihre Straftaten zu entziehen. (1942/27.08.2024)