Eine umfassende Studie hat neue Erkenntnisse zur Psychiatriegeschichte in Ueckermünde (Landkreis Vorpommern-Greifswald) und Pommern zu Tage gebracht. Die Medizinhistorikerin Kathleen Haack von der Universitätsmedizin Rostock untersuchte nationalsozialistische Gesundheits- und Rassenpolitik am Beispiel der Ueckermünder Einrichtung, wie die Hochschule am Dienstag mitteilte. Ihre Ergebnisse habe Haack nun in einem Buch unter dem Titel „Vom ‘Anstaltsboom’ zum NS-Krankenmord: Psychiatrie in Ueckermünde und Pommern im 19. Jahrhundert und 20. Jahrhundert“ veröffentlicht.
Die Publikation beleuchte die historische Entwicklung der Psychiatrie in Pommern und dokumentiere, „wie die ursprünglich humanistische Idee der medizinischen Versorgung psychisch Kranker in Zeiten ideologischer Radikalisierung in ihr Gegenteil verkehrt wurde“. Die Medizinhistorikerin beschreibe, dass die im 19. Jahrhundert entwickelte Vorstellung, psychisch Erkrankte in einer geschützten, medizinischen Umgebung zu behandeln, in politischen und gesellschaftlichen Krisenzeiten schnell an ihre Grenzen gestoßen sei, hieß es. Schon in der Weimarer Republik und verschärft unter den Bedingungen des Nationalsozialismus sei „die individuelle Würde des Menschen in einem gefährlichen ideologischen Geflecht zunehmend in den Hintergrund gedrängt worden“.
Maßnahmen zur Aussonderung von Schwachen, Unnützen und Kranken seien in den Fokus gerückt. Unter der NS-Gesundheits- und Rassenpolitik seien viele dieser Menschen – darunter Langzeitpatienten, Umsiedler, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene – zunächst aus der sogenannten Fortpflanzungsgemeinschaft ausgeschlossen und später systematisch ermordet worden. Pommern, so ergaben Haacks Forschungen, habe dabei früh einen eigenen, besonders drastischen Weg eingeschlagen.
Das Buch rekonstruiert den Angaben zufolge individuelle Schicksale und erinnert an das Leid der oft Vergessenen. Zugleich arbeite die Studie die Rolle regionaler Akteure heraus – sowohl als Ausführende im nationalsozialistischen Gesamtsystem als auch als eigenständig Handelnde bei der Umsetzung von Ausgrenzung und Vernichtungspolitik. Damit leiste die Arbeit einen wichtigen Beitrag zur historischen Aufarbeitung und ethischen Reflexion medizinischer Verantwortung, hieß es.