Neue ARD-Serie von Kida Khodr Ramadan wieder im Gangstermilieu

Mit „Testo“ bringt der gefragte Filmemacher ein neues Werk in die Mediathek. Linear wird das einfallsreiche und dichte Banküberfall-Geiselnehmer-Drama zwar auch gezeigt – aber das dürfte nicht entscheidend sein.

Anfang und Schlusspointe dieser knallharten Gangster-Miniserie – so viel sei verraten – gehören einer Frau. Dabei macht der Titel „Testo“ eigentlich unmissverständlich klar, worum es hier geht: hormongesteuerte Männer (Testosteron! Adrenalin!) und ihr folgenschweres Tun. Das Szenario ist übersichtlich: Fünf Freigänger überfallen eine Bank und nehmen sechs Geiseln; draußen vor der Tür steht allzu schnell die Polizei. Das übliche Drama aus Verhandlungen, Schüssen und Fluchtversuchen nimmt seinen Lauf.

Doch „Testo“ erzählt diesen klassischen Stoff in sieben dichten, zwischen 12 und 20 Minuten dauernden Episoden. So kommt das Ganze kurzweilig und spannend daher. Multitalent Kida Khodr Ramadan hat am Drehbuch mitgeschrieben, führt zusammen mit Editorin Olivia Retzer Regie und ist auch noch Hauptdarsteller.

Es ist bereits sein zweites Werk für die ARD-Mediathek. Vor einem Jahr erreichte dort „Asbest“ ein Millionenpublikum, gerade erlebt die Knastserie auf Netflix einen zweiten Frühling. Die knapp zweistündige Miniserie „Testo“ ist ab Freitag online abrufbar und läuft an dem Tag auch ab 22.20 Uhr linear im Ersten.

Erneut hat Mastermind Ramadan ein exzellentes Ensemble um sich versammelt: Neben ihm spielen sein Kumpel Frederick Lau als „Stulle“ mit Vokuhila, Stipe Erceg als „Pepsi“ im schwarzen Anzug sowie die beiden schauspielernden Rapper Veysel Gelin als „Barro“ und Mortel Jovete als „Kongo“ die Gangster-Truppe.

Auf weiblicher Seite geben sich Stars wie Nicolette Krebitz als engagierte Polizistin Billy Fischer, Katharina Thalbach als Polizeipräsidentin Hartmut sowie Jeanette Hain und Ruby O. Fee als Geiseln die Ehre. Und Ronald Zehrfeld spielt „Schweinebacke“ einen auf Wunsch der Gangster reaktivierten Polizisten mit blondierten Strähnen, mit dem die Räuber noch eine Rechnung offen haben.

Das harte Macho-Szenario wird immer wieder durch absurde, augenzwinkernde bis lustige Einfälle aufgelockert. Insgesamt nimmt sich „Testo“ bei aller gezeigten Brutalität nicht zu ernst. So steht das Gros der Polizei-Statisten vor der Bank ganz im ursprünglichen Wortsinne im Wesentlichen herum. Einsatzleiterin Fischer bietet penetrant allen Hinzukommenden – selbst dem SEK – erst einmal einen Kaffee an.

Einem aktuellen Trend entsprechend wurden den Darstellerinnen und Darstellern beim Dreh Freiräume zur Improvisation eröffnet – oder wie es passend zum in der Serie natürlich präsenten Gangsta-Rap heißt: Das Motto war „Freestyle“. Als Zuschauer gewinnt man den Eindruck, dass die Crew dabei ihren Spaß hatte.

Davon zeugen auch eingebaute Verweise: So heißt das überfallene Geldinstitut „Bergmann Bank“, vermutlich ein Hinweis auf die Produzenten Quirin Berg und Max Wiedemann. Und „Stulle“ wird in der dritten Folge damit konfrontiert, dass eine Geisel sagt, sie sei die Halbschwester seines Vaters: „Du bist der Sohn vom Jürgen aus der Zimmermannstraße in Steglitz“ – ein genauer Bezug zu Frederick Laus tatsächlicher Berliner Herkunft.

Schön auch, wie Geisel Thomas (Julius Feldmeier) als zeitgemäßer Vater die Gangster bittet, einmal seine Tochter anrufen zu dürfen, damit die zur Oma geht, weil er sie ja gerade schlecht zu Hause reinlassen kann. Leider ignoriert die Tochter seine Bitte und steht auf einmal doch vor der Tür der Bank. Schließlich lassen ihn die harten Jungs sogar gehen und winken dem Mädchen zum Abschied noch zu, nur um sogleich den Polizisten den Stinkefinger zu zeigen.

In ihrer Machart kommt die Miniserie äußerst lässig daher. Splitscreen-Optik und die Einführung der Gangster mit Blick in die kurz einfrierende Kamera sowie knapper schriftlicher Charakterisierung (Ramadans „Keko“ etwa als „Genie & Wahnsinn“, Laus „Stulle“ als „Bipolar & guter Gangster“) sind Genre-Referenzen. Die zweite Folge beginnt mit einer Rückblende in Form einer grobkörnigen, Schwarz-Weiß-Sequenz, in der die späteren Knastbrüder als Kinder Fußball spielen und ihre Berufswünsche in die Kamera sagen. Neben den üblichen Träumen wie Pilot, Tierarzt oder Bürgermeister sticht der kleine „Keko“ heraus, der sagt: „Und ich will ’ne Bank überfallen.“

Als erfrischend-ironischer Kommentar zur politisch aufgeheizten Diskussion um Kopftuch, Burka & Co. lässt sich der Kniff lesen, mit dem einige der Gangster am Ende versuchen, aus der Bank zu entkommen. Immer wieder und gerade zum Finale hin hat die Miniserie Überraschungen und Twists zu bieten.

Einziges, kleines Manko: Wer Kida Khodr Ramadan und Veysel Gelin bereits als Brüder im Berlin-Neukölln-Epos „4 Blocks“ gesehen hat, meint in „Testo“ an manchen Stellen doch ein Deja-vu zu haben. Sehenswert bleibt das alles trotzdem – und dürfte wie „Asbest“ vor einem Jahr ein anderes Publikum in die ARD-Mediathek ziehen, als sich dort üblicherweise umschaut.