Naturschützer pochen auf Grundrecht für Umweltschutz

Der Schutz der Umwelt ist wichtig und in Deutschland sogar eine Aufgabe des Staates. Seit nurmehr 30 Jahren ist Umweltschutz im Grundgesetz als Staatszielbestimmung verankert. Was bedeutet das? Und reicht das aus?

Krieg, Terrorismus und Inflation – zwei Umfragen haben zuletzt gezeigt, welche Themen den Deutschen momentan die meisten Ängste bereiteten. Trotz einiger Abweichungen belegten beide Befragungen noch etwas anderes: Die Sorge vor Klimawandel und Naturkatastrophen nimmt in der Bevölkerung ab. Die Brisanz, die das Thema noch mit dem Erstarken der Fridays-for-Future-Bewegung ab 2018 hatte, scheint derzeit leicht rückläufig zu sein.

Dabei waren die demonstrierenden Schülerinnen und Schüler bei weitem nicht die ersten, die in dieser Dringlichkeit auf Umwelt- und Klimaschutz hinwiesen. Schon in den 1970er Jahren erhielt das Thema Konjunktur. Damals waren es vor allem die Luftverschmutzung und der Saure Regen, die den Menschen die gravierenden Konsequenzen ihres Fortschrittsdenkens vor Augen hielten. Die Folge war eine breite gesellschaftliche Debatte zum Thema, wovon nicht zuletzt Neugründungen wie die Deutsche Umwelthilfe, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland oder der Grünen zeugen.

Durch Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges zum Ende der 80er Jahre wieder etwas in den Hintergrund geraten, kam der Umweltschutz schließlich 1994 erneut auf das politische Parkett – mit einer für damalige Verhältnisse wegweisenden Entscheidung: Am 15. November wurde der Umweltschutz als Artikel 20a in den Kanon des Grundgesetzes aufgenommen. 2002 wurde noch der Tierschutz hinzugefügt, so dass der Paragraf aktuell lautet: “Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.”

Das klingt zunächst nach einem Meilenstein. Doch der praktische Nutzen ist aus Sicht der Umweltschützer tatsächlich gering, erklärt der Jurist Remo Klinger. Als Anwalt vertritt er regelmäßig die Deutsche Umwelthilfe (DUH) – auch bei Klagen gegen die Bundesregierung. Die Aufnahme in das Grundgesetz als Staatszielbestimmung biete “keinen Mehrwert”, sagte Klinger der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Weder handelt es sich um ein einklagbares Grundrecht, noch folgt daraus, dass die Beteiligungs- oder Klagebefugnisse der Umweltverbände wegen dieser verfassungsrechtlichen Regelung verbessert werden mussten.”

Tatsächlich war der verfassungsbasierte Umweltschutz bisher nur ein einziges Mal rechtlich relevant: 2021 stellte das Bundesverfassungsgericht nach einer Beschwerde mehrerer Jugendlicher fest, dass die im Bundesklimaschutzgesetz von 2019 verankerten Maßnahmen unzureichend seien. Dadurch würden die Lebensgrundlagen sowie die Grund- und Freiheitsrechte zukünftiger Generationen beeinträchtigt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei zwar von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen, erklärt Klinger. Entscheidender und effektiver für den Umweltschutz waren nach Angaben des Juristen dennoch andere Regelungen, wie die 2001 in Kraft getretene Aarhus-Konvention. Neben einem freien Zugang zu Umweltinformationen stellte diese auch die öffentliche Beteiligung an Entscheidungsverfahren sicher – und räumte jeder Person ein Widerspruchs- oder Klagerecht ein, wenn gegen einen der vorgenannten Punkte verstoßen wird.

Für einen effektiven Umweltschutz braucht es aus Sicht der Naturschützer aber weitere Maßnahmen. Statt einer Staatszielbestimmung wäre ein Grundrecht auf Umweltschutz wichtig, aus dem auch unmittelbar Forderungen gegenüber dem Staat abgeleitet und vor Gericht durchgesetzt werden könnten. Ein solches war zwar auch schon in den 1980er Jahren im Gespräch – wurde aber zugunsten der Staatszielbestimmung wieder aufgegeben. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat erst kürzlich vor dem Bundesverfassungsgericht für eine wirksamere Naturschutz-Gesetzgebung Klage erhoben.

Und auch in Sachen Klima gebe es noch deutlichen Nachholbedarf, sagt Klinger. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens, insbesondere die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius, zu erreichen, gehe schon das aktuelle Bundes-Klimaschutzgesetz nicht weit genug. “Ähnlich sieht es bei anderen gravierenden Umweltproblemen, wie der Biodiversitätskrise, aus. Hier beginnen wir gerade erst, eine Trendwende einzuleiten, und auch diese ist für die Größe der Aufgabe noch überschaubar”, moniert der Jurist. Die durch das Grundgesetz vorgesehene Umweltschutzgarantie werde so “immer noch nicht eingelöst”.