Namibia: Historiker sieht Chance für Neustart bei Aufarbeitung

Nach dem Tod des namibischen Präsidenten Hage Geingob sieht der Historiker Jürgen Zimmerer einen möglichen Neuanfang für deutsch-namibische Gespräche. Bei der Aufarbeitung deutscher Verbrechen während der Kolonialzeit im heutigen Namibia habe Geingob auf Verhandlungen zwischen beiden Regierung gesetzt, sagte der Afrikawissenschaftler der Universität Hamburg dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Sonntag. Die Herero und Nama seien davon jedoch weitgehend ausgeschlossen worden. Nachfahren der Opfer des deutschen Völkermordes hätten deshalb gegen Geingobs Regierung in Windhoek geklagt.

120 Jahre nach dem Völkermord könne der Tod Geingobs ein Anlass für einen Neustart bieten, „wenn der Widerstand gegen direkte Verhandlungen auch mit der namibischen Zivilgesellschaft und auch internationalen Vertreterinnen und Vertreter der Herero und Nama aufgegeben wird“, sagte Zimmerer. Eine mögliche Lösung wäre der Abschluss der Regierungsverhandlungen und die Einleitung direkter Verhandlungen mit nicht staatlichen Akteuren, etwa nach dem Vorbild der Jewish Claims Conference.

Der Völkermord an den Herero und Nama wurde zwischen 1904 und 1908 von der deutschen Kolonialmacht in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika verübt. Schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden ermordet. 2015 begann der offizielle Dialog zwischen den Regierungen Deutschlands und Namibias zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen. 2021 gab es eine erste Einigung: Deutschland erkennt demnach den Völkermord an, entschuldigte sich und will 1,1 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe leisten. Laut Zimmerer müsste Deutschland für Verhandlungen mit nicht staatlichen Akteuren nochmals den gleichen Betrag zur Verfügung stellen.