Nahost-Experte: Israelische Bodentruppen als nächste Konsequenz
Für ein Abkommen zur Befreiung der Geiseln, die am 7. Oktober von der Hamas verschleppt wurden, gibt es kaum noch Chancen, sagt der Direktor des Deutschen Orient-Instituts. Dafür sei ein Waffenstillstand nötig gewesen.
Nach den erneuten Angriffen der israelischen Armee auf den Libanon befindet sich Israel nach Einschätzung von Andreas Reinicke, Direktor des Deutschen Orient-Instituts mit Sitz in Berlin und früherer Diplomat, in einem dritten Libanon-Krieg. “Davon muss man ausgehen”, sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin.
Dass die Hisbollah trotz des Todes von Hassan Nasrallah – er war seit 1992 Anführer der Terrororganisation – mit dem Raketenbeschuss aufhört, davon gehe er nicht aus. “Die nächste Konsequenz ist, dass Israel mit Bodentruppen eingreifen wird”, so Reinicke. Dabei rechne er eher mit einem Einmarsch in den Süden. “Israel hat gesagt, dass es die Hisbollah zurückdrängen will hinter den Litani-Fluss. Es gibt auch eine UNO-Resolution, die das vorsieht”, so Reinicke.
Die israelische Armee hatte am Samstag den Tod Nasrallah gemeldet, den die Hisbollah anschließend bestätigt hatte. Damit seien Organisation wie Führungsriege sehr stark getroffen. Eine Reorganisierung könne Jahre dauern. “Ich fürchte aber, dass es auf der unteren Ebene noch genügend Führer gibt, die Abschüsse anordnen können”, sagte Reinicke, “sie ist nicht kampflos”.
Israel und Benjamin Netanjahu seien indes in der Logik, das Problem lasse sich nur militärisch lösen. “Die Logik, dass man die Sicherheit und das Existenzrecht Israels mit Friedensverhandlungen löst, scheint nicht im Vordergrund zu stehen.” Dabei habe die Arabische Liga unter Führung Saudi-Arabiens bereits 2002 die arabische Friedensinitiative lanciert.
Ein Geiselabkommen hält Reinicke nach der aktuellen Entwicklung “für kaum noch realistisch. Sie wären freigekommen gegen einen Waffenstillstand”. Die eine oder andere Geisel bekomme man möglicherweise noch frei. “Aber ich fürchte, die Chancen schwinden zunehmend.”