Nacht der Kirchen in Hamburg: Theologie trifft auf Wissenschaft

Für die 21. Nacht der Kirchen in Hamburg gibt es am DESY-Institut in Groß Flottbek die „Wissenschaftskirche“. Hauptakteure sind Physiker Christian Schwanenberger und Theologe Pastor Frank Engelbrecht.

Pastor Frank Engelbrecht (li.) und Physiker Christian Schwanenberger am DESY-Institut
Pastor Frank Engelbrecht (li.) und Physiker Christian Schwanenberger am DESY-InstitutMarieke Lohse

Theologie ist die Wissenschaft und Lehre über Gott, eine Geisteswissenschaft. Aber sie kann nicht allein existieren. Das findet zumindest Pastor Frank Engelbrecht aus Hamburg-Blankenese. „Die Theologie ist meiner Ansicht nach eine Poesiewissenschaft, die über die Poesie des Lebens nachdenkt, die uns zum Staunen bringen möchte. Und dieses Staunen bedeutet nicht nur einfach Mund auf und nicht wissen, wie es weitergeht, sondern sie übersetzt dieses Staunen in Handlungen.“

Christian Schwanenberger ist Elementarteilchen-Physiker am DESY-Forschungsinstitut und erklärt sein Fachgebiet so: „Die Naturwissenschaft versucht die Welt zu verstehen. Aber sie muss die Welt dadurch verstehen, dass sie im Experiment immer wieder nachweisen kann, dass die Theorien richtig sind. Das heißt, wir untersuchen, was die Welt im Innersten zusammenhält.“

Für die diesjährige Nacht der Kirchen in Hamburg wagen die beiden auch ein Experiment: Ein Gespräch zwischen Theologe und Physiker. „Wir wollen, dass eben wirklich nur scheinbar unterschiedliche Disziplinen wie Wissenschaft, Kunst, Theologie, Philosophie an diesem Abend zusammenkommen und miteinander diskutieren“, sagt Schwanenberger. An dem Abend gibt es vor dem Auditorium am DESY-Institut Experimente zum Anfassen, aber auch Podiumsdiskussionen zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten.

Gott spielt auch in der Physik eine Rolle

Für den Theologen ist klar, dass bei der Erschaffung der Welt Gott eine wesentliche Rolle spielt. Der Physiker meint: „Die Aufgabe der Naturwissenschaft ist es, die Welt zu erforschen, wie sie ist, aber eben nur bis zu einer gewissen Grenze.“ Dahinter habe Gott durchaus Platz. Aber: „Die Frage nach Gott ist einfach keine Frage, die man sich als Physiker, als Naturwissenschaftler stellt, weil sie ja nicht experimentell nachweisbar ist.“

Es gibt mehr, als der Verstand erklärt

Auch der Theologe ist interessiert an der physikalischen Entstehung des Universums. „Aber da ist auch eine andere Stimme, bei der ich das Gefühl habe, das Universum ist auch interessiert an mir“, meint Engelbrecht. „Das gibt mir hier ein Zuhause, baut mir einen Horizont“. Das lasse ihn immer wieder staunen. „Und plötzlich habe ich das Gefühl, als wollte mir das Universum sagen: Schön, dass du da bist.“

Diese Ebene kann Schwanenberger gut nachvollziehen. Denn auch wenn seine Arbeit auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Experimenten beruht, hat er eine Ahnung davon, dass es mehr gibt als das, was der Verstand erklärt. Die Menschen haben Formeln, um die Welt zu erklären. „Und deswegen denke ich mir, da muss sich doch jemand ganz tolle, kluge Gedanken gemacht haben und irgendjemand muss sich das doch überlegt haben.“

Der Mensch besteht aus Sternenstaub

Frank Engelbrecht hat als Geisteswissenschaftler ebenfalls eine große Achtung vor der Disziplin seiner Naturwissenschaftskollegen. „Denn wenn eine Physikerin mit einem Augenzwinkern sagt, wir bestehen alle aus Sternenstaub, dann ist das auf der einen Seite eine physikalische Wahrheit“, erinnert er sich an den Austausch mit einer Kollegin. „Wir sind tatsächlich aus Atomen und Staub von Sternen zusammengesetzt. Aber das ist ja ganz ehrlich eine lyrische, poetische Redeweise.“

 

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Er findet es wichtig, dass diese unterschiedlichen Disziplinen gerade jetzt miteinander statt gegeneinander arbeiten. „In einer Zeit, in der es wieder Kriege gibt und Leute sich mit Vorurteilen beharken und Grenzen schließen und unfreundlich miteinander sind, haben wir es ganz dringend nötig, dass wir zusammenarbeiten.“ Die Theologen brauchen die Physiker und anderen Naturwissenschaftler, die so schöne Dinge erforschen und uns staunen lassen, meint er.

Die „Wissenschaftskirche“ zur 21. Nacht der Kirchen in Hamburg ist ein spannendes Experiment, findet Christian Schwanenberger. „Das wird eine Reise in die Nacht der Kirchen, eine Reise in die Kirche. Aber die Kirche ist in dem Fall das Auditorium des Deutschen Elektronen Synchrotrons und findet in einem Hörsaal statt, in dem schon viele Entdeckungen der Physik diskutiert wurden.“