Nachdenklich machender Film über Kati Witts letzte Olympia-Kür

Am Ende wurde es Platz 7 bei Olympia in Lillehammer 1994. Für Katarina Witt, die zweimalige Olympiasiegerin der DDR, war die Rückkehr zum Eiskunstlauf-Wettkampf eine Suche nach verlorenen Wurzeln, wie ein ZDF-Film zeigt.

“Das schönste Gesicht des Sozialismus” wurde Katarina Witt genannt. Zweimal holte die Eiskunstläuferin der DDR Olympia-Gold – in Sarajevo und Calgary. Dazu kamen der Gewinn von sechs Europa- und vier Weltmeisterschaften. Mit ihrem Können und ihrer Ausstrahlung war sie das Aushängeschild eines kommunistischen Staates. Dieser ließ seine Bürger erst ab dem Rentenalter in den Westen reisen; einem weltweit angesehenen Sportstar erlaubte er aber 1988 die Teilnahme an der berühmten US-Eisshow “Holiday on Ice”, weil Devisen dringend benötigt wurden.

Dies dürfte das Bild sein, das wohl die meisten Deutschen von der Sportlerin haben. Auch wenn sie in Ost und West begeistert zusahen, wenn Witt anmutig ihre Pirouetten drehte, so halten sich die Vorurteile gegenüber ihrer Person. Zum Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober) kündigt das ZDF für 20.15 Uhr einen “Eventfilm” mit dem Titel “Kati – Eine Kür, die bleibt” an. Das Buch schrieb Andrea Stoll. Dazu kommen großartige Schauspieler in Haupt- und Nebenrollen.

Regisseurin Michaela Kezele liefert keine Sportlerbiografie. Sie zeigt, wie zwei starke Frauen aus unterschiedlichen Generationen, die mit dem Auseinanderbrechen der DDR eine Zeitenwende erlebt haben, sich neu zu positionieren versuchen. Im Mittelpunkt steht nämlich nicht nur Witt, sondern auch ihre langjährige Trainerin Jutta Müller (1928-2023), die aus dem “Rohdiamanten” einen strahlenden Edelstein schliff.

Der Film blendet zurück ins Jahr 1993, ins wiedervereinigte Deutschland. Witt ist mit ihren bald 27 Jahren ein Superstar und pendelt zwischen den USA und ihrer Heimatstadt Chemnitz. Zuhause bei den Eltern in der Plattenbau-Wohnung hat sie ihr Zimmer, dort schmiert ihr der Vater ein paar Stullen für den anstehenden Flug gen Amerika. Er hat gerade den Job verloren, wie so viele in diesen Umbruchzeiten; die Tochter erobert derweil die Welt.

Als Kati sich am Flughafen von einer Kioskfrau (Anna Thalbach) anhören muss, dass das “Fräulein Witt” immer auf der Schokoladenseite lande, arbeitet es in ihr. Sie beschließt, sich reamateurisieren zu lassen. Das Ziel: Teilnahme bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer mit der gesamtdeutschen Mannschaft. Dafür klingelt Witt an der Tür ihrer nach der Wende kaltgestellten DDR-Erfolgstrainerin. Denn nur mit ihr, ist sie überzeugt, kann das Projekt Olympia gelingen.

Die 1995 geborene Lavinia Nowak ähnelt der jungen Kati nicht nur, sie verkörpert famos deren Ungestümtheit und eisernen Willen. Für die Rolle hat sie Eislauftraining genommen und viele Videos des Orignals geschaut. Regelmäßig ging’s zum Trainieren aufs Eis, die echte Kati brachte ihr bei, wie sie immer ihre Schlittschuhe geschnürt hat. Und da ist die großartige Dagmar Manzel. Sie haucht einer Frau Leben ein, die die Öffentlichkeit als eine gestrenge Gouvernante wahrnahm, wenn sie mit Brille und Dutt an der Bande stand und später mit ihrem Schützling auf die Noten wartete. Manzel schafft es, deren Panzer zu durchbrechen, ihre Verletzlichkeit und sogar ihren Humor zu zeigen.

Die erneute Zusammenarbeit mit Kati wird für Müller zu einer Zerreißprobe. Aus dem Teenager ist eine selbstbewusste Frau geworden, die zwar Drill einfordert, aber ihren eigenen Kopf hat. Den Konditionstrainer wählt sie selbst aus, fürs Ballett-Training geht’s kurzfristig nach Toronto. Die Medien zeigen Interesse, wollen aber auch wissen, wie es “Honeckers Liebling” mit der Stasi hielt.

In 27 Ordnern und auf 3.031 Seiten kann Witt nachlesen, wann sie Geschlechtsverkehr hatte, ihre Eltern schlafen gingen und wie die Namen ihrer Stofftiere lauteten. Von Egon Krenz (Alexander Schubert), einstiger DDR-Staatsratsvorsitzender, verlangt sie, dass er sich erklärt: “Verraten und verkauft habt ihr mich.” – “Dir ging es immer besser als vielen anderen.” Ihrer Trainerin wirft sie vor, ihre erste Liebe kaputt gemacht zu haben. Die wehrt sich: “Nach all dem, was der Staat in Dich investiert hat, wollten die Genossen Sicherheit.” Müller habe ein Herz aus Eis, so Kati. Es ist Ehemann Binges, der seiner Frau in diesem Auf und Ab der Gefühle zur Seite steht.

Gezeigt wird, dass selbst eine regimetreue Müller von den DDR-Genossen unter Erfolgsdruck gesetzt wurde. Wie ein Schatten begleitet sie diese Einschüchterung im vereinten Deutschland. Manzel sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), der Film biete einen differenzierten Blick auf die Menschen, die in der DDR gelebt hätten, wie es nach dem Umbruch für sie weiter gegangen sei und mit welchen Problemen sie zu tun gehabt hätten. Das werde nicht reißerisch, sondern behutsam und im Detail erzählt.

Witt qualifizierte sich für Lillehammer und belegte dort den siebten Platz. Ihre Kür zur Musik von “Sag mir, wo die Blumen sind”, widmete sie auch den Menschen in Sarajevo, wo sie 1984 Gold geholt hatte und nun Krieg herrschte.