Nach dem Tod Nasrallahs – Ungewisse Zukunft im Nahen Osten
Der Tod des langjährigen Hisbollah-Anführers kann die Terrororganisation zwar schwächen. Zugleich wird aber vor einer weiteren Destabilisierung der fragilen Region gewarnt.
Nach dem Tod des Hisbollah-Anführers Hassan Nasrallah hat Papst Franziskus zum Abschluss seiner Belgien-Reise alle Konfliktparteien im Nahen Osten um einen “sofortigen Waffenstillstand im Libanon, in Gaza, in Israel, im übrigen Palästina” gebeten. Er sei bestürzt über die Ausweitung des Krieges im Libanon, sagte er in Brüssel.
Am Samstagmorgen hatte die israelische Armee bekanntgegeben, Nasrallah während eines Luftanschlags auf Beirut getötet zu haben. Auf der Plattform X schrieb sie, Nasrallah werde “nicht länger in der Lage sein, die Welt zu terrorisieren”. Am frühen Nachmittag bestätigte die Terrororganisation Hisbollah Nasrallahs Tod. Israel setzte am Samstag seine Luftangriffe auf Ziele in Süd- und Ostlibanon sowie Beirut fort. Die Hisbollah schoss unterdessen Dutzende Raketen auf Ziele in Israel.
Die Entwicklung in der Region ist ungewisser denn je. Gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio bezeichnete Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sie als “brandgefährlich”. “Es droht, dass diese ganze Region weiter in die Gewaltspirale reinrutscht.” Es drohe eine Destabilisierung des gesamten Libanons, und das sei in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels. Die EU warnte vor Flügen nach Israel und in den Libanon.
Anhänger der Hisbollah nannten Nasrallah, der 1992 die Führung übernommen hatte, indes einen “großen Märtyrer”, wie libanesische Medien berichteten. Auch Sleiman Frangieh, maronitischer Christ und Vorsitzender der libanesischen christlichen Marada-Partei, kündigte an, dass der Widerstand weitergehe. Auch er betrauerte Nasrallahs Tod.
Viel spekuliert wird über die weiteren Schritte Israels. Dem “Handelsblatt” (online Samstag) sagte der libanesische Historiker Makram Rabah, er gehe nicht von einem Einmarsch Israels aus. Dieser würde aus seiner Sicht eine Reihe von Problemen verursachen, beispielsweise könne eine Unterstützung der israelischen Gesellschaft verloren gehen. Zugleich werde auch der Iran nichts unternehmen.
Diesen bewertete er als weitaus bedeutender als die Hisbollah. “Nicht die Hisbollah ist so sehr das Problem, sondern der Iran.” Was auch immer am Ende geschehe – “der Iran und nicht die Hisbollah ist der Störenfried”. Über die Hisbollah sagte der Historiker: Weitere Angriffe würden auf individuelle Initiativen zurückgehen und nicht bedeuten, dass die Organisation intakt sei. Auch gehe er nicht davon aus, dass sie das Kommando über ihre Operationen wieder herstelle. Der Grund: Israel werde weiterhin gegen einen ihrer Kommandanten nach dem anderen vorgehen.
Während seiner Sonntagspredigt forderte der maronitische Patriarch, Kardinal Bechara Rai, dazu auf, den Kreislauf von Krieg, Mord und Zerstörung zu beenden, “um einen gerechten Frieden zu schaffen, der die Rechte aller Völker und Komponenten der Region garantiert”. Dafür seien die Libanesen selbst verantwortlich. Sie müssten erkennen, dass sie keine Unterstützung von außen hätten. Auch betonte er, dass es im Krieg nur “Verlierer und Besiegte” gebe. Der Tod von Menschen und die Zerstörung geschähen in einem Augenblick, während der Wiederaufbau viel Zeit und Geld erfordere.