Mut, an die eigene Kraft zu glauben

Die palästinensische Autorin und Friedensarbeiterin feiert am 11. Juni ihren 70. Geburtstag. Eine neue Auswahl bereits erschienener Texte eröffnet Einblicke in ihr Leben und Denken

stefan worring

Sie ist so alt wie das Land Israel: Am 11. Juni wird Sumaya Farhat-Naser 70 Jahre. Seit Jahrzehnten ist die in Birseit bei Ramallah geborene und dort bis heute lebende christliche Palästinenserin beseelt von einem Wunsch: Dass es eines Tages ein friedliches und gerechtes Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern geben möge. Aktuell aber scheint die Erfüllung ihrer Sehnsucht weiter entfernt denn je. Es will kein Frieden einkehren im Nahen Osten. Jede Seite ist nur auf sich selbst, auf die eigenen Rechte, die eigenen Ängste fixiert.  
Dennoch hat Farhat-Naser selbst die Hoffnung niemals aufgegeben.  2008 sagte sie in einem UK-Interview, es sei ihre Aufgabe, Vertrauen in die Zukunft bei den Menschen aufzubauen und irgendwann würden die Palästinenser „die Schwelle überschreiten zu einem anderen Leben, zu einer anderen Gesellschaft und einem eigenen Staat in Freiheit, Sicherheit und Frieden“.
Dafür hat sich die promovierte Biologin in Friedensinitiativen und Frauengruppen sowie in Seminaren mit Jugendlichen immer wieder eingesetzt. Dialog und Gewaltverzicht – darum geht es ihr. In mehreren Büchern, die auch in Deutschland viele Leserinnen und Leser gefunden haben, erzählt sie von ihrem Leben im Westjordanland, von ihrer Kindheit, von dem Ringen um Frieden und von den Schikanen und Schwierigkeiten des Alltags in einem besetzten Land.
Dabei verbindet sie ihre Schilderungen der harten Realität stets mit dem Bekenntnis zu ihrer Heimat, zu den Menschen und der Natur, in der sie sich zuhause fühlt. Ihre große Liebe gilt der Landschaft im Westjordanland, den Pflanzen und ihren Düften. Sie klingt bereits in den Buchtiteln an: „Thymian und Steine“, „Verwurzelt im Land der Olivenbäume“, „Disteln im Weinberg“ und „Im Schatten des Feigenbaums“.
Aus Anlass des bevorstehenden 70. Geburtstages hat der Baseler Lenos Verlag im vergangenen Jahr unter dem Titel „Ein Leben für den Frieden“ einen Band mit ausgewählten Texten, die den vier Büchern entnommen sind, herausgebracht. Er bietet einen wunderbaren Einblick in die Lebensgeschichte Farhat-Nasers bis zum Jahr 2008 und zeigt, was diese Frau besonders auszeichnet: Dass es ihr gelingt, eine realistische und für beide Konfliktparteien schonungslose Analyse der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu liefern und dabei dennoch unbeirrbar an ihrem Glauben an eine mögliche Versöhnung festzuhalten. „Hoffnung“, so schreibt sie, „macht kreativ, und der Mut, an die eigene Kraft zu glauben, macht vieles möglich“.
Für ihr Lebensziel – den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern – hat Farhat-Naser immer wieder Verbündete gesucht, auch in Deutschland, dem Land, in dem sie studiert hat. Hierher ist sie immer wieder zu Vorträgen und Lesungen zurückgekehrt, zuletzt vor wenigen Wochen. Ausgezeichnet wurde sie vielfach – zum Beispiel mit der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster, dem Evangelischen Buchpreis und dem Bruno-Kreisky-Preis für Verdienste um die Menschenrechte. Ihr Einsatz, ihr Mut und ihre offenbar unzerstörbare Hoffnung haben sie berühmt gemacht.

-Sumaya Farhat-Naser: Ein Leben für den Frieden. Lenos Verlag, Basel 2017, 301 Seiten, 19,80 Euro.