Mundgeblasene Schmuckstücke

Im thüringischen Lauscha wird seit fast 200 Jahren traditionneller Christbaumschmuck aus Glas gefertigt.

In diesem Jahr ist rosa Christbaumschmuck im Trend.
In diesem Jahr ist rosa Christbaumschmuck im Trend.Ursula Wiegand / epd

Laucha. Das Weihnachtsfest steht vor der Tür, doch mit der Vorfreude ist es in diesem Jahr so eine Sache. Doch bewahren Sie den Mut und schmücken Sie den Weihnachtsbaum in diesem schwierigen Zeiten besonders schön.

Manche Menschen treffen beizeiten Vorsorge für ihren Weihnachtsschmuck, beispielsweise durch einen Ausflug ins thüringische Städtchen Lauscha. Dort ist seit mehr als 400 Jahren das Glasmachen zu Hause. Der älteste, noch erhaltene Betrieb ist die 1853 gegründete ELIAS­ Farbglashütte, in der weiterhin nach alter Sitte mundgeblasene Glaswaren gefertigt werden. Wie das vor sich geht, können sich die Besucher anschauen und anschließend auch etwas kaufen.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Das gilt auch dort und zumindest für die Beschäftigten. Mit der „Glasmacherpfeife“ – einem rund zwei Meter langen, mit einem Mundstück versehenen Eisenrohr – laufen einige Männer ständig hin und her. Warum, erklärt ein Experte des Betriebs: „Glas besteht aus Sand, Soda, Kalk und Pottasche. Los geht es immer damit, dass die Rohstoffe über Nacht zu flüssigem Glas geschmolzen werden. Der erste Schritt der eigentlichen Herstellung ist das Aufblasen des sogenannten Kölbels. Dafür wird mit der Glasmacherpfeife etwas Glas aus dem Schmelzofen geholt und zu einer kleinen Kugel aufgeblasen.

Diese Kugel lässt man kurz abkühlen. Dann wird auf diese Kugel nochmals Glasmasse aufgenommen und diese mit Holzwerkzeugen vorgeformt,“ so der Experte weiter. „Damit die Werkzeuge nicht verbrennen, werden sie gewässert, und beim Kontakt mit dem heißen Glas entsteht ein Wasserdampffilm, welcher die Werkzeuge schützt und die Oberfläche des Glases glatt macht. Dann wird das Glas in eine Form eingeblasen.“

Glasgestalterin Petra Meusel hantiert auch mit Feuer. Foto: Ursula Wiegand / epd
Glasgestalterin Petra Meusel hantiert auch mit Feuer. Foto: Ursula Wiegand / epd

Damit eilt nun, wie zu sehen ist, einer der Glasmacher zum Kollegen, der in einer Grube wartet. Dort taucht er, das Eisenrohr drehend, die Glaskugel in eine Flüssigkeit, in der sie geschmiert wird. Danach kommt sie auf die Kühlbahn, wo das Glas langsam von 500 Grad Celsius auf Raumtemperatur abgekühlt wird. „Das sorgt dafür, dass Spannungen aus dem Glas entweichen“, so der Experte. Danach werden die Gläser geschliffen und Ränder verschmolzen.
Aber wie wird man Glasmacher, und ist das Blasen nahe der heißen Öfen nicht schädlich, fragt man sich? Ein Mitarbeiter gibt Auskunft: „Die Ausbildung dauert drei Jahre, die Glasmacher arbeiten täglich acht Stunden. Es ist nicht anstrengend, in die Glasmacherpfeife zu blasen. Glasmacher können daher bis zur Rente und darüber hinaus am Ofen arbeiten.“

Glashütte setzt auf Handarbeit

Auf dem Weg zur Weiterverarbeitung fallen auf einem langen Tisch jede Menge farbiger Glasröhren auf. „Die sind unser bestes Exportprodukt“, sagt Geschäftsführerin Ines Zetzmann. Die ELIAS Farbglashütte, die einzige Glashütte in Deutschland, die durchgefärbtes Glas noch in Handarbeit zu Röhren und Stäben verarbeitet. Zum Cocktailschlürfen sind sie nicht gedacht.

Was daraus entsteht, lässt sich anschließend bei der Glasgestalterin Petra Meusel beobachten. Die Produkte, die sie geschickt und furchtlos mit Feuer und Fantasie produziert, sind im Regal hinter ihr zu sehen. Sie ist voll konzentriert. Dass Besucher ihr zuschauen oder Fotos machen, stört sie nicht.

Weiter geht es durch große Räume, wo sich eine Fülle diverser Glaswaren stapelt – selbstverständlich auch das traditionelle grünliche Thüringer-Wald-Glas im Original. Es gibt auch bläulich und rötlich eingefärbte Glaswaren, neuere im Bauhausstil und sogar Goethe-Wassergläser. Der Dichterfürst hat offenbar statt Wein auch mal Wasser getrunken. Einigen geht jedoch nichts über eine original Lauschaer „UnikatMurmel“ in echter Handarbeit, bei deren Anblick Kin­dererinnerungen wach werden. Aber auch bei Sammlern findet sie großes Interesse.

Buntes Schimmern in der Manufaktur

Angesichts des sehr vielfältigen Weihnachtsschmucks werden die Besucher fast farbtrunken. Glöckchen, Tannenbaumspitzen sowie 12 bis 27 Zentimeter große Garten- und Christbaumkugeln mit oder ohne Verzierungen schimmern in Gold und Silber sowie in Rot und Blau.

Deren Entstehung ist eng mit der Gründerfamilie der Farbglashütte, Greiner-Mai, verbunden. Der erste Christbaumschmuckbläser Christian Günter Greiner-Mai, der 1822 in Lauscha geboren wurde, wird in der Literatur als Mitbegründer des Lau­schaer Christbaumschmucks erwähnt.

Er fertigte bereits 1830 kleine Glasfrüchte für die Schmuckherstellung. Daraus ist nachweislich der weltbekannte Lauschaer Christbaumschmuck entstanden. Er wird in der zur ELIAS Farbglashütte gehörenden Manufaktur produziert. Dort werden wie vor 150 Jahren Repliken des original Lauschaer­ Christbaumschmucks gefertigt.

Christbaumschmuck in rosa und mit Pfauen.
Christbaumschmuck in rosa und mit Pfauen.Ursula Wiegand

Doch auch der unterliegt der Mode. Für dieses Jahr hat man sich Neues ausgedacht: rosafarbene, silbrig verzierte Kugeln. Wie diese und andere am Baum wirken, lässt sich anhand der aufgestellten und fertig dekorierten Christbäume beurteilen. Neben dem eher traditionellen Schmuck in Rot und Gold sticht ein Baum mit weiß-silbrigen Kugeln ins Auge, verziert mit weißen Vögeln.

Also doch: „O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit“

Auf den ersten Blick wirken sie wie edle weiße Schwäne. Von solch einem Schwan hätte sich Lohengrin im Kahn sicherlich gern gen Brabant ziehen lassen, um Elsa zu retten. Doch die extrem langen Schwanzfedern lassen erkennen, dass es sich um wilde weiße Pfauen handelt. Selbst wenn sie schwimmen könnten, wären sie wohl viel zu stolz, um ein Boot zu ziehen.
Auf dem ausgestellten Christbaum mit den rosafarbenen Kugeln sind die bekannten blauen Pfauen zu finden, die so schön Rad schlagen können.

Und besonders diese umranken Mythen. Der Pfau, der aus Südost-Asien stammt, gilt dort als Gefährte der Götter und Könige. In China gilt er als Sinnbild für Schönheit, Königlichkeit, Reichtum und Leidenschaft, in Ägypten als Garant für Glück und langes Leben. Insofern ist er in diesem Jahr genau der richtige Schmuck. Also doch „O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit“.

Die Farbglashütte Lauscha, Straße des Friedens 46 in Lauscha hat geöffnet: Montag bis Sonnabend von 10 bis 17 Uhr, Sonntag von 11 bis 17 Uhr, Heiligabend und Silvester von 10 bis 14 Uhr, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag. von 11 bis 17 Uhr.
Der Eintritt – mit Nasen-Mund-Schutz – ist frei. Das Restaurant ist mindestens bis 30. November geschlossen. Das Selbstblasen von Kugeln ist aus Hygienegründen zurzeit nicht möglich.

Weitere Informationen gibt es auf www.farbglashuette.de.