Muhammad Yunus: Nobelpreisträger und möglicher Friedensbringer

Mit seiner Idee, Kleinkredite an Arme zu vergeben, gewann Muhammad Yunus 2006 den Friedensnobelpreis. Jetzt wartet die wohl größte Aufgabe seines Lebens auf ihn: Er soll die Übergangsregierung von Bangladesch leiten.

Bangladesch setzt auf Muhammad Yunus, den Friedensnobelpreisträger von 2006. Nach den schweren Unruhen, bei denen mindestens 300 Personen ums Leben kamen, soll der 84-Jährige nun Regierungschef von Bangladesch werden. Seine Rivalin, die bisherige Regierungschefin Sheikh Hasina, war am Montag aus dem Land geflohen. Politische Erfahrung hat der 84-Jährige allerdings wenig. 2007 gründete er erstmals eine Partei mit klaren Positionen gegen Korruption und Vetternwirtschaft. Sie existierte jedoch nur ein Jahr.

Stattdessen hat sich der Wirtschaftswissenschaftler sein ganzes Leben mit der Weiterentwicklung des Kapitalismus befasst, hin zu gerechterer Verteilung. “In unserer heutigen Gesellschaft ist der Mensch deformiert”, begründet Muhammad Yunus sein Konzept des “social business”. Das kapitalistische Wirtschaftssystem müsse nicht zwangsläufig nur auf Gewinne abzielen. Es könne auch einen sozialen Zweck erfüllen, argumentiert er.

Yunus wurde am 28. Juni 1940 nahe der Hafenstadt Chittagong im heutigen Bangladesch geboren. Fünf seiner Geschwister starben noch als Kinder. Er studierte mit einem Stipendium in den USA und kehrte 1972 in seine Heimat zurück. Während einer Hungersnot 1974 zog der Professor über die Dörfer, um zu erfahren, was die Ärmsten brauchten.

Eine Begegnung prägte ihn besonders: “Eines Tages traf ich eine sehr arme Stuhlmacherin. Das passte nicht zusammen, diese wunderbaren Stühle und das ärmliche Haus, in dem sie sie herstellte.” Die Frau verdiente nur zwei Cent am Tag, weil sie bei einem Händler Geld für Bambus leihen musste. Sie bekam das Geld nur, wenn sie ihm ihre Stühle zu einem sehr niedrigen Preis verkaufte. “Mein Gott, es sieht aus wie ein geschäftlicher Deal, aber sie ist eine Sklavin”, dachte sich Yunus.

Er entwickelte folgende Idee: Nur wenige Dollars entscheiden über Elend oder selbstbestimmtes Leben. Mit Kleinstkrediten lässt sich Armut durch Eigeninitiative bekämpfen. “Das bestehende Bankensystem funktioniert nur für die Reichen, aber nicht für das einfach Volk.”

1983 erhielt er die staatliche Genehmigung für seine Grameen Bank, die “Bank auf dem Land”. Sie vergibt Kleinkredite an Einzelne, vor allem Frauen – 20, 30 oder 50 US-Dollar, etwa für eine eigene Nähmaschine oder für ein Fahrrad, um die Ernte zum Markt zu bringen. Die Kredite werden nur unter der Voraussetzung angeboten, dass sich kleine Gruppen zusammenschließen und füreinander bürgen. Millionen Menschen haben seitdem solche Kleinkredite erhalten.

Das Konzept des “Bankiers der Armen” haben seitdem zahlreiche Organisationen kopiert. 2006 erhielt Yunus dafür den Friedensnobelpreis. Er ist nur die renommierteste einer Reihe internationaler Auszeichnungen für den Wirtschaftswissenschaftler. In seiner Heimat Bangladesch zählt er längst zu den angesehensten Persönlichkeiten – und zugleich als einer der entschiedensten Widersacher der autokratischen Premierministerin Sheikh Hasina, die der blutige Volksaufstand in dieser Woche in die Flucht trieb.

Vor allem die Führer der Studentenproteste haben Yunus als Leiter der Übergangsregierung gefordert. Er gilt als unvoreingenommen und gemeinwohlorientiert. Die Frage ist, wieviel Einfluss er als Gestalter wirklich ausüben kann. Denn auch die Armee und Vertreter der etablierten Eliten werden die neue Ordnung nach ihren Vorstellungen prägen wollen.