Münchner Ausstellung präsentiert chinesische Hinterglasbilder

Hinterglasbilder sind vor allem in der bayerischen Volkskunst zu Hause. Auch Kandinsky & Co ließen sich davon inspirieren. Dass diese Kunst sogar in China gepflegt wurde, belegt nun eine Münchner Schau.

Mit Schönheiten kennt man sich in München aus. Bayerns König Ludwig I. (1786-1868) ließ junge Frauen, die es ihm angetan hatten, von seinem Hofmaler in Öl festhalten. Dass es auch in China liebreizende Damen gibt, zeigt nun eine Ausstellung im Münchner Museum Fünf Kontinente. Unter dem Titel “Betörend schön” werden 70 Frauenporträts vorgestellt – auf Hinterglasbildern. Die zerbrechlichen Kostbarkeiten stammen aus der Privatsammlung Mei-Lin und sind bis 19. Januar 2025 zu sehen.

In China war das Malen hinter Glas erst im 18. Jahrhundert aufgekommen, nachdem aus Europa Glasplatten und Spiegel ins Land gelangt waren. Zu dieser Zeit entwickelte sich das südchinesische Kanton, ein traditionelles Seehandelszentrum, zum Hauptort dieser Kunst. Spezialisierte Werkstätten stellten die farbenfrohen und leuchtenden Bilder als Auftragsarbeiten oder nach standardisierten Entwürfen her. Europäische Vorlagen wurden detailgetreu auf Glas übertragen. Die Herausforderung bestand im umgekehrten Malvorgang: Der Vordergrund musste zuerst gemalt werden, der Hintergrund zuletzt. Korrekturen oder Improvisationen waren nicht möglich.

Als Motive finden sich Landschaften, Vögel oder Blumen. Im Zentrum der Schau stehen aber ausschließlich die Porträts schöner Frauen. Den Hinterglasbildern werden in der luftig-lockeren Ausstellungsarchitektur Textilien wie Kleider, Röcke, Jacken oder Hosen zur Seite gestellt. Die Sachen stammen aus den eigenen Museumsbeständen genauso wie die Anhänger, Ohrringe, Haarnadeln und Fächer, die jenen auf den Bildern ähnlich sind.

Von Malern für ein männliches Publikum gemalt, zeigen solche Bilder nur ideale Schönheiten – wobei Schönheit immer im Auge des Betrachters liegt. Die Attraktivität der Damen wurde noch gesteigert durch die Gegenstände, die sie auf den Bildern umgaben: Mobiliar, Federfächer (erst in der späten Kaiserzeit ein weibliches Accessoire, vorher ausschließlich Männern vorbehalten) oder der Lotus als Symbol weiblicher Schönheit. Bei den Bildern kommt es auf die Details an: Lange Fingernägel galten als Zeichen von Wohlstand, Pekinesen als Symbol für Stärke und Schutz, ein blanker Arm als erotischer Hinweis.

Unterschwellig intim ist der aufmerksame Blick der Frauen, der direkt auf die Betrachtenden gerichtet ist. Nicht zuletzt deshalb wurden solche Bilder gerne mit Verführung und der Lebenswelt von Kurtisanen in Verbindung gebracht. Dem Ideal der schönen Frau im China des 19. Jahrhunderts entsprach die Dame, deren Bild das Plakat zur Ausstellung ziert: ovales Gesicht, feine Züge, Kirschmund, Mandelaugen, weiße Schminke, sorgfältig frisiertes Haar, prächtige Kleidung und ihre sittsame Haltung.

Die zauberhafte Schau will die Besuchenden lehren, die Werke zu lesen. So sieht man etwa zwei Damen auf einer Terrasse mit Pflaumenblüten, Chrysanthemen, Orchideen und Bambusblätter – in China bekannt als die “vier edlen” Pflanzen, die die vier Jahreszeiten darstellen und zugleich für einen edlen Charakter stehen. Schmetterlinge wiederum werden als ein Sinnbild für Romanzen und hingebungsvolle Liebe verstanden. Ein Granatapfel drückt den Wunsch nach reicher Nachkommenschaft aus.

Festgehalten sind auf den Bildern ebenfalls die “gebundenen” Füße einer Frau. In China war es bis ins 20. Jahrhundert hinein üblich, weibliche Füße durch Bandagieren gezielt zu verkleinern – eine sehr schmerzhafte Prozedur. Kleine Füße galten als Zeichen von Anmut und als erotisch attraktiv. Sie konnten die Chancen einer Frau auf eine gute Heirat erhöhen. Vor allem der zukünftigen Schwiegermutter signalisierten sie Gehorsam und Selbstdisziplin.

Immer wieder sieht man kunstvoll bestickte Schuhe – eine Fertigkeit, die eine Frau beherrschen sollte. Doch da ist auch die Dame mit natürlichen Füßen, die ein Buch in den Händen hält, das auf ihre Bildung hinweist. Sie verkörpert jenen Typ Frau, der das konservative Binden der Füße bereits überwunden hat. So lässt sich an diesen Bildnissen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zugleich der gesellschaftliche Wandel im Land ablesen.