Mobile Opferberatung registriert deutlich mehr Angriffe

In Sachsen-Anhalt hat es im Jahr 2023 deutlich mehr rassistische, antisemitische und queerfeindliche Angriffe gegeben. Zu diesem Fazit kommt die Mobile Opferberatung in ihrer Jahresbilanz, die sie am Donnerstag in Halle vorgestellt hat.

Insgesamt hat der Verein im vergangenen Jahr 233 rechte, queerfeindliche oder antisemitische Angriffe registriert. 332 Personen seien davon direkt betroffen gewesen. Im Jahr zuvor wurden noch 156 Angriffe registriert, mit später erfassten Nachmeldungen stieg die Zahl auf 167. Der deutlich höhere Wert für 2023 sei auf eine Änderung der Erfassungskriterien zurückzuführen, auf die sich die Mitgliedsorganisationen im Verband geeinigt hätten, hieß es. So wurden im vergangenen Jahr erstmals 84 Bedrohungen und Nötigungen als Angriffe dokumentiert – gegenüber 17 im Jahr zuvor.

In dem erheblichen Ausmaß der Gewalt spiegele sich ein dramatisches Rassismus-Problem in Sachsen-Anhalt, sagte Antje Arndt, Projektleiterin der Mobilen Opferberatung. Nach dieser Statistik seien im Jahr 2023 alle ein bis zwei Tage Menschen in Sachsen-Anhalt aus rassistischen, queerfeindlichen, antisemitischen und weiteren rechten Motiven verletzt, bedroht und attackiert worden, hieß es.

Mit 168 Angriffen und 238 direkt Betroffenen im Jahr 2023 sei Rassismus mittlerweile in fast drei Vierteln aller Fälle das bei weitem häufigste Tatmotiv. Im Jahr zuvor wurden 112 Fälle mit 165 direkt Betroffenen erfasst. Mindestens 38 Jugendliche und 20 Kinder waren demnach Ziel der Angriffe. Weil Rassismus auch institutionell verankert und in vielfältige Diskurse eingebettet sei, seien etwa Antirassismus-Beauftragte bei Polizei und Justiz nötig, forderte Arndt.

Bei Übergriffen auf homo-, trans- und intersexuelle Menschen habe es mit 22 Angriffen und 32 direkt Betroffenen eine Verdopplung der Zahlen gegenüber dem Vorjahr gegeben. Es handle sich um die höchsten Zahlen seit Beginn des Monitorings im Jahr 2003, hieß es. In zehn Fällen handelte es sich den Angaben zufolge um einfache, in sieben um gefährliche Körperverletzung. Allein bei Demonstrationen zum Christopher Street Day (CSD) seien in sechs Städten zehn Angriffe mit mindestens 17 direkt Betroffenen verübt worden.

Antisemitismus sei mit 20 registrierten Angriffen und 22 direkt Betroffenen erstmalig das dritthäufigste Tatmotiv. Dieser Anstieg im Vergleich zum Vorjahr mit neun Angriffen und elf direkt Betroffenen sei vor allem auf die veränderte Zählweise von Bedrohungen zurückzuführen, hieß es. So wurden demnach für 2023 insgesamt 17 (2022: vier) antisemitische Bedrohungen in die Statistik aufgenommen, davon seien 14 im Internet verübt worden. Der Anstieg sei aber nicht konkret auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zurückzuführen, sagte Arndt dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Mobile Opferberatung in Halle unterstützt seit 2001 unter anderem Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie wird getragen vom Verein „Miteinander e.V“., der mit verschiedenen Verbänden und Netzwerken kooperiert. Die Arbeit wird nach eigenen Angaben aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ und mit Mitteln des Sozialministeriums Sachsen-Anhalt finanziert.