Mitte-Links-Bündnis in Polen schließt Koalitionsvertrag

In Polen hat am Freitag ein Mitte-Links-Bündnis um Ex-Ministerpräsident Donald Tusk einen Koalitionsvertrag unterzeichnet. Das neue Bündnis aus Tusks Bürgerplattform, des ebenfalls liberalkonservativen Dritten Wegs und der Linken löst die bisherige rechtskonservative Regierung von Mateusz Morawiecki ab. Es verfügt im vor knapp vier Wochen neu gewählten Parlament über eine Mehrheit von 248 von 460 Abgeordneten. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem eine Liberalisierung des strengen polnischen Abtreibungsgesetzes vor.

„Frauen haben das Recht, selbst zu entscheiden“, heißt es in der 13 Seiten langen Vereinbarung. Man werde das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts von 2020 außer Kraft setzen. Auf Antrag der bisherigen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte das Gericht damals einen Passus im Gesetz für verfassungswidrig erklärt, der Abtreibungen bei einer schweren Fehlbildung oder Krankheit des Fötus zuließ. Seither sind in Polen Abtreibungen nur noch erlaubt, wenn die Schwangerschaft die Gesundheit der Mutter gefährdet oder wenn sie Ergebnis einer Vergewaltigung oder von Inzest ist.

Robert Biedron von den Linken kündigte bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Parteivorsitzenden in Warschau an, das Thema Abtreibung werde einer der ersten Gesetzentwürfe sein; das sei „unsere Pflicht gegenüber Millionen Polinnen“. Näher äußerte sich Biedron nicht. Der designierte Regierungschef Tusk hatte im Wahlkampf versprochen, dass Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen legal werden. Der Dritte Weg lehnt dies allerdings ab.

Die Koalitionsparteien erklären in ihrem Vertrag auch, es sei erforderlich, Kirche und Staat zu trennen. Einzelheiten nennen sie nicht. Sie verweisen lediglich auf die „Grundsätze der gegenseitigen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Staates bezüglich religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen“.

Tusk sagte, das Bündnis sei bereit, von jetzt an Verantwortung für Polen zu übernehmen. Die Koalitionsparteien hätten bewiesen, „dass sie trotz ihrer Unterschiede ruhig und harmonisch für Polen arbeiten können“.

Der Sejm, das Unterhaus des Parlaments, kommt am Montag zu seiner ersten Sitzung in dieser Wahlperiode zusammen. Weil Staatspräsident Andrzej Duda zunächst Morawiecki von der PiS den Regierungsauftrag erteilt hat, kann Tusk erst im Dezember Ministerpräsident werden. Zuvor müsste Morawiecki im Sejm die obligatorische Vertrauensfrage verlieren, wie es Beobachter erwarten.