Mit Ohrstöpseln auf den Kirchturm der St. Cosmae

Besucher können wieder auf den Kirchturm von St. Cosmae et Damiani steigen und den Rundblick von der „Laterne“ aus genießen – bei gutem Wetter elbaufwärts bis nach Hamburg.

Christina Reimann zeigt den Besuchern gern "ihre" Kirche und den besonderen Turm. Charmant vermittelt sie Wissenswertes, etwa über die Glocken, die nach dem Brand 1659 neu gegossen wurden.
Christina Reimann zeigt den Besuchern gern "ihre" Kirche und den besonderen Turm. Charmant vermittelt sie Wissenswertes, etwa über die Glocken, die nach dem Brand 1659 neu gegossen wurden.Hans-Christian Roestel

von Hans-Christian Roestel

Stade. Die kleinen gelben Ohrstöpsel gibt es gleich zu Beginn der Führung: sie werden später in der Glockenstube noch höchst willkommen sein. Heute ist eine besondere Führung, da wir die Glocken oben anhören können, erklärt Christina Reimann ihren fünf Gästen aus Hannover, Berlin und Jork. Bis zu 13 Personen können zugleich auf den Turm steigen. Das dürfte an den Platzverhältnissen liegen. Je weiter es auf den engen Stiegen nach oben geht, wird es zudem immer wärmer. Immerhin: bis zu 13 Personen finden im Brandfall Schutz im neuen feuerfesten Raum am Turmdach.

Spendernamen auf den Treppenstufen

Der Raum, so Christina Reimann, halte für rund 90 Minuten Flammen und Hitze stand. Ungefähr 60 Minuten benötige die Feuerwehr, die 13 Personen über eine Rettungsluke im Dach nach außen zu retten. Dieser zweite Rettungsweg war Teil der jüngsten umfangreichen Sanierungen am Turm von St. Cosmae zwischen Januar und März 2013. Er ist den geltenden Brandschutzbedingungen geschuldet. 230 000 Euro schlugen für die Maßnahme zu Buche, Spenden waren hier natürlich willkommen und auch notwendig: Jeder Spender, der über 100 Euro gab, ist auf den Stufen mit seinem Namen vertreten, erklärt Christina Reimann.

"Mein Herz ist bereit"

Ist die letzte, oben auf der Plattform erreicht, liest man Gott, mein Herz ist bereit. Insgesamt führen 187 Stufen hinauf auf die Aussichtsplattform, die Laterne, 36 Meter hoch über der Hansestadt Stade. Bis zur Spitze sind es noch weitere 30 Meter. Bei gutem Wetter kann der Betrachter neben den Altstadtgassen und dem Stader Hafen an der Schwinge auch weiter elbaufwärts bis zur Hansestadt Hamburg sehen.
St. Cosmae, in ihrer Basis aus dem 12. Jahrhundert stammend, präsentiert sich heute als Vierungskirche gotischer Prägung. Als Besonderheit im Norden gilt die Architektur des gewaltigen achteckigen Turms, über der Vierung errichtet. Im ostfriesischen Pilsum gibt es noch eine ähnliche Kirche. Die Gäste beeindruckt besonders die oft enge Balkenkonstruktion auf dem Weg durch die Turmebenen. Unterwegs in der "Zimmermannshütte" sind neben den historischen Zeichen aus dem 17. Jahrhundert auch die jüngsten von 2013 erkennbar.
Christina Reimann berichtet gern von der Geschichte der Kirche und ihres Turms. "Es wurden damals durch den Wind noch lesbare Aktenstücke bis nach Hamburg getragen. So erfuhren die Leute, in Stade brennt es!" Dem Stadtbrand 1659 fiel auch St. Cosmae zum Opfer und wurde später wieder neu errichtet, ausgestattet und erweitert. Dazu kam auch die Barockorgel  der Orgelbauer Berendt Huß und Arp Schnitger (Bauzeit 1668-1675).

"Aus der Asche auferstanden"

Zeugen der Wiederauferstehung von St. Cosmae sind auch die vier großen Glocken in der Glockenstube der insgesamt zwölf Glocken: "Wir waren fünf, die die Flamme mit der Kirche am 28. Mai 1659 vernichtet hat. Ich bin mit vier Schwestern aus der Asche auferstanden, ich klinge am Tag des 10. September des Jahres 1663", lautet die lateinische Inschrift, welche die Glocken neben Friesen und Vogelmotiven ziert. Die fünfte Glocke kam im Zweiten Weltkrieg nach Hamburg und wurde eingeschmolzen; 1959 wurde sie neu gegossen, gestiftet vom Hamburger Unternehmerehepaar Ernst und Cläre Jung.
Zu ihrer Spende gehört auch das neue Zimbelgeläut. Neben seinen Zimbelglocken erklingt bei der Führung um 17.55 Uhr auch das "Carillon", ein bespielbares großes Glockenspiel. Nach den Liedern "Allein Gott in der Höh, sei Ehr" (Nikolaus Decius, 1523) und "Nun ruhen alle Wälder" von Paul Gerhardt (1647) gibt es als Abschluss ein "Angelusläuten".

Seit Mai 2013 Jahres werden an St. Cosmae wieder Turmführungen angeboten. Christina Reimann, von Hause aus Lehrerin für evangelische Theologie, kam erst 1985 nach Stade. Heute ist sie eine von  rund 30 lizensierten Kirchturmführern; zum aktiven Kern gehören aber zehn Mitstreiter. "Im November 2015 hatte ich den 5000. Besucher begrüßt", erinnert sich Reimann, die sich um die Organisation der Führungen kümmert. Immer wieder wunderschön sei für sie das Erlebnis, wenn zum Auftakt ins neue Kirchenjahr, in der Nacht zum 1. Advent die Glocken läuten, schwärmt Christina Reimann zum Ende ihres Rundgangs.