Mit Kamel in der Kita

Plüschkamel „Hilde“ ist regelmäßig zu Besuch in der Stralsunder Kita Eden, zum Leben erweckt von Pastor Christoph Krasemann. Für die Kita-Kinder ein Erlebnis – und vielleicht ein Schlüssel zur Kirche.

„Hilde“ erzählt gern, was sie im Heiligen Land erlebt hat. Pastor Krasemann leiht ihr dafür seine Stimme
„Hilde“ erzählt gern, was sie im Heiligen Land erlebt hat. Pastor Krasemann leiht ihr dafür seine StimmeSybille Marx

Stralsund. Eine Model-Schönheit ist sie nicht gerade, diese Kameldame „Hilde“: Ihre Mähne wirkt zerzaust, der Kieferorthopäde würde „Überbiss“ diagnostizieren, Glubschaugen und einen leichten Silberblick hat sie auch – aber die Kinder lieben sie, daran besteht kein Zweifel an diesem Freitagmorgen im Februar.

Im schwarzen Talar ist Pastor Christoph Krasemann, 31, gerade in die Kita Eden in Stralsund getreten, um Hilde auf die Bühne zu begleiten. Genauer gesagt, auf ein kleines Plateau im Treppenhaus, das die fast 100 Kita-Kinder von verschiedenen Etagen aus sehen können, aufgereiht auf den Stufen und Fluren, coronakonform. Aufgeregte Rufe und Lacher tönen Hilde entgegen, einige Kinder wollen sie sofort streicheln. „Haach, ist das schön, wieder hier zu sein“, sagt die Kameldame dann auch mit hoher nasaler Stimme, und lässt den Blick durch die Zuschauerreihen schweifen.

Drollige Kameldame

In der Adventszeit war Krasemann, der seit September als Pastor zur Anstellung in der Gemeinde Stralsund-Heilgeist arbeitet, das erste Mal mit Hilde zu Besuch. Hatte die drollige Kameldame Geschichten erzählen lassen, in denen sich die Kinder vielleicht wieder finden könnten: wie sie als Jüngste im Stall die Aufgabe bekam, drei ältere Herren auf der Suche nach einem Stern zu begleiten. Wie sie von ihrer Mutter einen Nasenring geschenkt bekam, auf den sie immer schielen konnte, wenn sie unterwegs Heimweh hatte. Wie sie schließlich Jesus begegnete und entdeckte: Gott kommt als Kind auf die Erde!

„Ich hatte euch ja vor Weihnachten erzählt, wie ich dem Stern gefolgt bin“, sagt Hilde jetzt, nachdem gespannte Stille im Treppenhaus eingekehrt ist. „Und diesmal will ich euch erzählen, wie die Geschichte mit diesem Jesus weitergeht.“

Nur ein paar Minuten spricht Hilde zu den Kita-Kindern. Berichtet ihnen, wie sie Jahre später, als längst erwachsenes Kamel, noch einmal nach Bethlehem wandert. Wie Jesus inzwischen der Ruf vorauseilt, er wirke Wunder. Wie er am See Genezareth dann vor ihr auftaucht – „hach Mensch, ist der groß geworden!“ – und einige Fischer, die mit leeren Netzen vom Wasser kommen, ermutigt, noch einmal rauszufahren: „Gott wird euch Fische schenken.“ Und tatsächlich: Diesmal sind die Netze übervoll. Die Fischer werden Jesu Freunde und weichen künftig kaum mehr von seiner Seite. „Jünger werden sie genannt.“

Vorliebe für die Bibel

Pastor Krasemann verrät später, dass Hilde nach einem pädagogischen Seminar zum Geschichtenerzählen bei ihm einzog und er selbst viele Geschichten der Bibel liebt, weil es darin so viel um Beziehungen gehe und sich jeder darin wiederfinden könne.

In einer nicht-christlichen Familie in Demmin ist Krasemann aufgewachsen. „Meine Ururoma ging noch zur Kirche“, erzählt er, „meine Uromas, Omas und die Eltern nicht mehr.“

Von der Mutter ermutigt

Als vor der fünften Klasse die Frage anstand, ob Christoph Religionsunterricht oder Philosophie wählen solle, ermutigte ihn die Mutter trotzdem zu Reli. „Sie hatte die Religionslehrerin getroffen und war begeistert von ihr“, erinnert sich Krasemann. Außerdem hatte er sich immer auffallend für Kirchengebäude und Geschichte interessiert. Der Unterricht gefiel ihm tatsächlich: „Ich habe dort zum Beispiel zum ersten Mal die Geschichte von Jakob und Esau gehört, die bis heute eine meiner Lieblingsgeschichten ist.“

Inzwischen ist Hilde am Ende ihrer Erzählung angelangt. Zwei Lieder singen die Kinder noch für sie, während sie dazu die Hufe schwingt und mit dem Hintern wackelt. „Danke, das war wieder soooo schön“, ruft sie nachher. Dann spricht Pastor Christoph Krasemann noch einen Segen für alle Kinder, in seiner ganz normalen tiefen Stimme. „Tschüüüüß, Kinder“, ruft Hilde schließlich, „Tschüüüüß, Hilde“, tönt es als Vielfachecho zurück.

Wie Hildes Charme wirkt

Dann ist der Besuch auch schon wieder vorbei. Aber wer weiß, vielleicht werden einige dieser Kinder bald wie erhofft in Krasemanns erstem Familiengottesdienst sitzen. „Von den Familien in der Gemeinde haben jetzt schon manche gefragt: Sind Sie nicht der Pastor, der mit dem Kamel in die Kita kommt?“, erzählt er schmunzelnd. Er hofft, dass sich das noch weiter herumspricht – und Hildes Charme auch die letzten Hürden schmelzen lässt.