Mit Herz und Kehle

„Luther“ kehrt zurück: Nach der Uraufführung 2015 in Dortmund geht das Oratorium nun im Gerry-Weber-Stadion auf die Bühne. Eindrücke von der Hauptprobe: Harte Arbeit, große Freude

HALLE/WESTF. – „T! Das T muss sitzen!“ Hartmut Naumann lässt nicht locker. Der Vollblutmusiker schnippt mit den Fingern, rudert mit den Armen. Gemeinsam mit seinem Mit-Dirigenten Matthias Nagel wirbelt er über die Bühne. Knapp zwei Meter unter ihnen, im Halb-Oval des Gerry-Weber-Event Centers in Halle/Westfalen, sitzen 1600 Sängerinnen und Sänger, die jedes Wort, jede Geste der beiden förmlich aufzusaugen scheinen.
Hauptprobe für das Pop-Oratorium „Luther“. Am Samstag (11. 3.) soll es im Stadion nebenan aufgeführt werden. Da muss alles sitzen. Also noch einmal. Hartmut Naumann und Matthias Nagel heben die Hände, zählen vor, geben den Einsatz. Zwerchfelle stoßen Atem an, der Luftstrom reibt an Stimmbändern. Und tatsächlich formen 1600 Kehlen jetzt völlig synchron die Silben, Vokale und Konsonanten: „Ein feste Burg ist u-hun-ser GoTTTT!“ Ja, das klappt.
Es ist ein gewaltiger Anblick, diese 1600. Aber dafür haben die Dirigenten kaum Augen. „In meiner Chorpartitur habe ich über 1000 handschriftliche Notizen, wo wir aufpassen müssen“, erklärt Hartmut Naumann. Er ist Studienleiter der Pop-Akademie in Witten. Er und Matthias Nagel – Pop-Kantor in der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) – haben seit Wochen die Sängerinnen und Sänger vorbereitet. In Lokal- und Regionalproben wurden Noten durchgearbeitet, Texte eingepaukt, Bewegungen geübt.
Dennoch kann keiner sagen, wie gut es am Ende gelingt. „Wir haben nur diese Hauptprobe“, erklärt Matthias Nagel. Bei der Generalprobe, direkt vor der Aufführung, kommen dann auch noch Solisten, Orchester und Band dazu. „Wir müssen den Chor heute fit kriegen“, so Nagel.
Jede Menge Notizen und Vermerke in ihre Noten hat sich auch Gesine Wacker gemacht. Die Sängerin aus dem ostwestfälischen Enger sitzt im Sopran. Über ihr schaufelt im gedämpften Hallenlicht eine Klimaanlage Luft durch Metall-Röhren. Trotzdem merkt man, dass sich hier seit Stunden eine Menge Menschen geistig und körperlich anstrengen.
Irgend ein Witzbold hat auf das Sektions-Schild „Sopran“ den Zusatz geschrieben: „Weil Superheldin kein anerkannter Beruf ist.“ Das Singen sei gar nicht so sehr das Problem, meint Gesine Wacker. „Es ist der Ablauf – die vielen Klammern, Wiederholungen und Sprünge.“ Und so trägt sie bereits mit einer dritten Farbe Leuchtmarkierungen in die Chor-Partitur ein.
Es ist ein gewaltiges Unternehmen. Für die Profis, vor allem aber auch für die Laien in den Chören. Noch sieben Tage bis zum Auftritt.
Nervös? „Ein bisschen“, sagt Hartmut Naumann. „Wird klappen“, sagt Matthias Nagel.
Eine Sängerin zwei Reihen hinter Gesine Wacker ist nach sechs Stunden singen, tanzen, klatschen sichtlich geschafft. Aber sie strahlt. Sie war schon bei der Uraufführung im Oktober 2015 in Dortmund dabei. „Das war ein unglaubliches Gefühl, Teil dieses gewaltigen Ereignisses zu sein. Es wird auch diesmal toll.“