Mit funkelnden Augen

Sie ist wieder da: die gefleckte Katze mit Pinselohren, Backenbart und Stummelschwanz. 200 Jahre nach seiner Ausrottung ist der Luchs nach Deutschland zurückgekehrt. Biologen nennen ihn Lynx lynx, sein Name erinnert auch an Lux, das lateinische Wort für Licht: Seine Augen funkeln und leuchten im Dunkeln. Im Luchs-Schaugehege im Wald bei Bad Harzburg kann er beobachtet werden. Luchse leben heute in freier Wildbahn im Harz, im Bayerischen Wald und im Pfälzer Wald.

Dort wurden sie wieder angesiedelt – von ihrem einst ärgsten Feind, dem Menschen. Menschen hatten ihnen mit Äckern und Weideflächen den Lebensraum streitig gemacht, ihre Beutetiere, vor allem Rehe, weggejagt und sie selbst gnadenlos verfolgt. Die kleine Raubkatze galt als Nahrungs- und Jagdkonkurrent. Und ihr Fell – im Sommer rötlich-braun, im Winter weiß-grau – lieferte warmen Pelz.

Inzwischen haben sich die Wildbestände erholt. Zum Hintergrund gehört auch, dass es mittlerweile sehr viele Rehe gibt, die den Jungwald verbeißen. Zudem ist seit Mitte des vorigen Jahrhunderts ein neues Naturbewusstsein erwacht. Anfang der 1970er-Jahre, nach Gründung des ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald, wurden dort die ersten fünf bis zehn Luchse ausgewildert, ohne behördliche Genehmigung.

In den 1980ern wurden dann mit Unterstützung der Naturschutzorganisation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im angrenzenden tschechischen Nationalpark Sumava elf Männchen und sieben Weibchen ausgewildert, diesmal mit Genehmigung. Seitdem gibt es dort einen regen Grenzverkehr. Gern gesehen sind die Luchse bei den ansässigen Bauern immer noch nicht. Einige Tiere wurden illegal geschossen und vergiftet.

Die größte Luchspopulation lebt derzeit im Harz: etwa 50 Individuen. Im dortigen Nationalpark ließ Ole Anders, der „Vater“ der Harzer Luchse und Projektkoordinator des Luchsprojekts Harz, zwischen 2000 und 2006 neun männliche und 15 weibliche Tiere ansiedeln. Die Männchen schwärmten aus und wurden 2011 auch im nördlichen Hessen heimisch, wo die junge Population 2015 wieder erlosch: Die Luchse waren an Räude verendet, übertragen von Füchsen.

Vergangenes Jahr sichteten Mitarbeitende des Arbeitskreises Hessenluchs wieder Jungtiere, im Reinhardswald. „Auch vor drei Wochen ist eine Luchsin mit Nachwuchs gesehen worden, aber östlich der Weser“, sagt Markus Port, Verhaltensökologe der Universität Göttingen. Schon seit Jahren ist er den Luchsen in Nordhessen auf der Spur. Jetzt fragt er sich: „Wie sind die Jungtiere über den Fluss gekommen? Das hat mich sehr überrascht.“ Auch wenn er weiß, dass Luchse schwimmen können.

Port erinnert daran, dass der männliche Luchs Cyrill aus der Pfälzer Population den Rhein bei Ludwigshafen durchschwommen hat. Dank der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz wurden im Pfälzer Wald mit finanzieller Unterstützung der EU (Life-Projekt) zwischen 2016 und 2021 mindestens 20 Tiere aus den slowakischen Karpaten und der Schweiz angesiedelt. Der Landesjagdverband ist Projektpartner, ebenso der World Wide Fund for Nature (WWF).

Es gibt also mittlerweile mehrere Lebensräume für Luchse in Deutschland. Aber es sind Inseln in einer Kulturlandschaft, in der Luchse sonst nur als Passanten gesichtet und von Autos überfahren werden. Den Tieren fehlt der genetische Austausch zwischen den einzelnen Populationen, und das gefährdet den Bestand. „Noch fehlt ein Trittstein zwischen den Luchsen im Bayerischen Wald und dem Harz“, erklärt Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele. Deshalb unterstützt sein Land ein neues Projekt des BUND: „Luchs Thüringen – Europas Luchse vernetzen“.

„Die Zukunft der Luchse in Deutschland entscheidet sich in Thüringen“, sagt Kathrin Samson vom WWF. „Wir brauchen die Wälder dort als Verbindungskorridore zwischen den Populationen im Harz und dem Bayerischen Wald.“ Deshalb sollen in den kommenden vier Jahren bis zu fünf Luchse pro Jahr im Thüringer Wald ausgewildert werden: Wildfänge aus den rumänischen Karpaten und Tiere aus dem Wildkatzendorf Hütscheroda am Südrand des thüringischen Hainich.

In dieser Zuchtanlage des BUND, der das Projekt koordiniert, haben die Luchse nur minimalen Kontakt zu Menschen. Zum Beispiel Luchsin Frieda: „Sie wird nur gefüttert, ansonsten gibt es keine Interaktion“, sagt Projektkoordinator Markus Port. Er wünscht sich für die Luchsin einen Partner aus Rumänien. „Vor der Auswilderung kommen die beiden erst in zwei voneinander getrennte Kompartiments eines Eingewöhnungs-Geheges, damit sie miteinander und mit der Umgebung vertraut werden.“

Insgesamt zehn Organisationen stehen hinter dem Projekt. Neben dem WWF sind das auch der Landesjagdverband und die ThüringenForst AöR. Der Landeshaushalt steuert 20 Prozent der Kosten bei, 80 Prozent kommen aus einem von der EU kofinanzierten Programm. Luchs-Kenner Port freut sich: „Jetzt legen wir den Grundstein für einen stabilen Populationskern zur Vernetzung.“