Mit Blick auf den Kirchturm

Sie war fast vergessen wie so viele Malerinnen ihrer Generation: Hedwig-Holtz Sommer, die bis zu ihrem Tod in Wustrow auf dem Fischland lebte. Jetzt ehrt sie eine Ausstellung.

Hedwig Holtz-Sommer: „Fischlandbäuerinnen“, Öl, undatiert
Hedwig Holtz-Sommer: „Fischlandbäuerinnen“, Öl, undatiertChristian Fehlandt

Wustrow. 2021 gedenken wir einer bedeutende Vertreterin im Umkreis der Ahrenshooper Künstlergemeinschaft. Als solche wird sie in der aktuellen Ausstellung im Fischlandhaus Wustrow gefeiert. Am 22. August 1901 in Berlin geboren, am 23. August 1970 verstorben. Nur einen Tag mehr als 69 Jahre reichte das Leben der Hedwig Holtz-Sommer. Die Zeit des Nationalsozialismus hatte sie in ihrem alten geduckten Fischerhaus in Wustrow von Beginn an miterlebt, dann deren Untergang und darauf die vielen Jahre des Durchhaltenmüssens in der DDR. Als Künstlerin war sie lange eine der Vergessenen ihrer Generation.

Üblicherweise signierte Hedwig Holtz-Sommer ihre Bildwerke mit dem Kürzel HSH. Das tat sie als Chronistin von schweren und guten Momenten, als Kennerin der engeren und weiteren Umgebung wie gern auch als begeisterte Liebhaberin von Literatur.

Verweise auf Krieg und Vertreibung

Leider undatiert blieb ihr großes Ölgemälde „Fischlandbäuerinnen“, das in einer noch kleineren als der hier abgebildeten Fassung als „Flüsternde“ in der Ausstellung in Wustrow im Original zu betrachten ist. Es arbeitet mit eindeutigen Verweisen auf die Schrecken von Krieg und Vertreibung. Vielleicht auch von staatlicher Willkür spricht. Jedenfalls vielfältig auf die Ängste der Frauen und Mütter in ihrer Nachbarschaft reagiert. Vielleicht ging es um die Kinder und Männer, die möglicherweise draußen auf den Schlachtfeldern in Gräben ihre Leben fristeten und hoffentlich noch nicht von unbekannten Gräbern verschluckt worden waren.

Ungewissheit. Sowohl im Verwandten- wie Bekanntenkreis, nicht fassbar die eigene Gegenwart und auch die Zukunft nicht. Ein Blick in die Augen in der Nachbarschaft genügt, um sich selbst sein Bild zu malen. Betend wie bittend und flehend, sich gegenseitig Schicksale ausmalend. Horchend auf die unheimliche Stille ringsumher. Was und wie wird das noch alles werden? So schwer auszuhalten dieses tägliche Bedrängen.

Bis in die Dämmerung

Mag’s auch nur Zufall sein, dass die Butzenfenster ihres Hauses immer wieder die Blicke über den kleinen Garten hinaus auf den nahen Wustrower Kirchturm öffneten. Aber wie auffällig oft hat Hedwig Holtz-Sommer diese Aussicht vom Tageslicht über die Dämmerung bis hin in den Nachthimmel hinein gemalt. Die Kirche hinter Fenster, Stallung, Tür und Baum.

Eine Gedächtnisausstellung sollte die Künstlerin zu ihrem 50. Todestag ehren. Nun ist daraus wegen der Pandemie sogar eine Hommage an den 120. Geburtstag für die Wustrow-Ahrenshooper Malerin Hedwig Holtz-Sommer geworden.

Info
Die Ausstellung „Sehen ist Atmen. Die Welt vom Fischland aus“ hat noch bis zum 17. Oktober täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet.