Mission von heute
Warum scheint Mission heutzutage fest in den Händen von Sekten zu liegen, fragt Pastor Tilman Baier. Er ist Chefredakteur der Kirchenzeitung in Schwerin.
Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Andreas findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden … und führt ihn zu Jesus.“ aus Johannes 1, 35-42
Sie fällt auf im Trubel der Einkaufsstraße, wie sie still dasteht, nur den „Wachturm“, die Zeitschrift der „Zeugen Jehovas“, in der Hand. Doch nur selten bleibt jemand bei der älteren Frau stehen, spricht sie an oder lässt sich eines der Hefte geben. Da wirken die adrett in schwarze Anzüge gekleideten und mit Rucksäcken ausgestatteten jungen Männer schon agiler, wie sie zielstrebig zu zweit versuchen, die Heilslehre der Mormonen auch hier in Norddeutschland bekannt zu machen.
Mission heute scheint bei uns fest in den Händen von Sekten zu liegen. Das ist jedenfalls das Bild, das so in der Öffentlichkeit entsteht. Denn wo sind wir mit unseren Gemeinden dort draußen auf der Straße präsent? Sicher, Plakate laden ein zu Veranstaltungen, immer mehr Kirchentüren sind auch in der Woche offen. Und manchmal, wie bei Kirchentagen, prägen evangelische Christen sogar für einige Tage das Bild einer Stadt. Doch auf dem alltäglichen Markt der religiösen Möglichkeiten sind andere viel präsenter.
Woran liegt das? Der Vorwurf, dass landeskirchliche Gemeinden eher im Kirchenschlaf liegen als freikirchliche, weil sie mehr zurück- als nach vorn blicken, stimmt so nicht. Ich denke, dass unsere Zurückhaltung in Sachen „Mission“ aus unserem schlechten Gewissen kommt: Zu negativ erscheint die Art, wie frühere Generationen von Christen die Frohe Botschaft anderen aufgenötigt haben, auch aus politischen und wirtschaftlichen Interessen und einem Überheblichkeitswahn.
Und trotzdem: Wer für sich entdeckt hat, dass durch die Botschaft und das Leben dieses Jesus von Nazareth Gott selbst heute zu uns spricht und handelt, der wird diese Botschaft, die das Leben verändert, nicht für sich behalten wollen und können. „Ich habe den Messias gefunden“, sagt Andreas zu seinem Bruder. Und daraus wuchs dann die erste christliche Gemeinde.
Vielleicht liegt es uns ja näher, es so leise und unspektakulär zu sagen wie Andreas zu seinem Bruder. Doch das sollten wir tun.
Unser Autor
Pastor Tilman Baier ist Chefredakteur der Kirchenzeitung in Schwerin.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.