Misshandlungen bei früheren Kinderkuren: Diakonie sucht Zeitzeugen

Die Diakonie Württemberg will die Missstände in den früheren Kinderkuren wissenschaftlich aufarbeiten und wendet sich deshalb an Zeitzeugen. Gesucht werden ehemalige „Verschickungskinder“, die in den damaligen diakonischen Kinderheimen Haus Bühlhof (Schwarzwald), Haus Carola (Berchtesgaden) und Haus Hubertus (Scheidegg) untergebracht waren, wie die Diakonie am Freitag mitteilte. Viele „Verschickungskinder“ seien bis heute traumatisiert, weil sie während ihrer Kur Gewalt erfahren hätten, erklärt Kornelius Knapp, Vorstand Sozialpolitik des Diakonischen Werks Württemberg und Leiter der Arbeitsgruppe zum Thema Kinderverschickung. Aber auch die damaligen Mitarbeiter seien aufgerufen, Auskunft über die Abläufe in diesen Häusern zu geben.

In dem Forschungsprojekt der Esslinger Sozialwissenschaftlerin Gudrun Silberzahn-Jandt seien die Betroffenen als Interviewpartner geschützt, so die Mitteilung weiter. Ihre besondere Situation werde mit viel Sensibilität wahrgenommen. Die Diakonie hat denn Angaben zufolge bereits 2021 begonnen, die Verhältnisse in den damaligen Kinderkurheimen aufzuarbeiten. Der Abschlussbericht zu diesem Forschungsprojekt wurde bereits im Juli dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt. In der zweiten Phase des Projekts gehe es jetzt um eine vertiefte Forschung in den drei ausgewählten ehemaligen Heimen.

Von 1950 bis Ende der 1980-er Jahre seien in Deutschland Millionen von Kindern vor allem wegen Asthma, Neurodermitis, aber auch Unter- oder Übergewicht in Kuren geschickt worden. Dieses nationale Gesundheitsprogramm sei für viele Kinder eine Qual gewesen, weil auch die Kurheime vor allem in den 1950-er und 1960-er Jahren im Rahmen der damals üblichen „Schwarzen Pädagogik“ auf Strenge und Strafen gesetzt hätten. In manchen Häusern sei es zusätzlich zu Übergriffen und Misshandlungen gekommen – bis hin zu sexualisierter Gewalt. (3006/15.12.203)