Missbrauchsbetroffene kritisiert Vatikan: „reformunwillig“

Die Missbrauchsbetroffene Johanna Beck wirft dem Vatikan fehlenden Reformwillen und mangelnden Einsatz für Missbrauchsopfer vor. Der Vatikan sorge „mit Reformunwilligkeit, mangelndem Engagement im Missbrauchskontext und mit diskriminierendem Gebaren dafür, dass sich hier immer mehr Menschen von der katholischen Kirche distanzieren“, schreibt die Publizistin in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag für die Freiburger Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“.

In Rom herrsche ein „selektives Verständnis“, wie man mit Personen umgehe, denen Leid zugefügt worden sei, so Beck. „Wer von der Welt ‚da draußen‘ versehrt worden ist und sich brav asymmetrisch bemitleiden und beseelsorgen lässt, gilt als sehens- und hörenswert. Wer von der Kirche selbst verwundet wurde und aufgrund dessen die Systemfrage stellt, nicht.“ Beck ist Mitglied des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz.

Die Anliegen der Betroffenen würden in der Regel nicht umgehend vom Papst beantwortet, kritisiert Beck. „Unsere Schreie durchdringen nur in den seltensten Fällen die Mauern des Vatikans.“ Sie fragt: „Müssen wir uns als Bettler auf die Schwelle des Petersdoms setzen, um endlich vom Papst wahrgenommen zu werden?“

Beck reagierte damit unter anderem auf einen jüngst publik gewordenen Brief von Papst Franziskus, in dem er sich erneut kritisch zu Reformen der katholischen Kirche in Deutschland äußerte. Er teile die „Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen“, schrieb Franziskus in dem persönlichen Brief an vier deutsche Katholikinnen, darunter zwei Theologieprofessorinnen.

Das Papst-Schreiben verletze sie persönlich, so Beck. „Als kirchenbewegte Person erschreckt es mich, zu sehen, dass bei Franziskus nach wie vor die negativen Narrative über die vermeintlich pseudoprotestantischen, überbürokratischen und quasihäretischen Deutschen verfangen.“

Der deutsche Synodale Weg sei jedoch nach den erschütternden Erkenntnissen der 2018 veröffentlichten MHG-Studie zu sexuellem Missbrauch ins Leben gerufen worden, um die Missbrauchsproblematik bei ihrer „strukturellen Wurzel“ zu packen, so Beck. „Solange dieser Abgrund nicht radikal aufgearbeitet und die missbrauchsbegünstigenden Strukturen reformiert“ würden, werde dieses System „stets neue Opfer hervorbringen“.