Missbrauchs-Untersuchung zu Franziskaner-Minoriten vorgelegt

Ein Mann Gottes vergreift sich an jüngeren Mitbrüdern, Vorgesetzte bleiben untätig, Beschuldigte zeigen keine Reue: Zwei Anwältinnen haben ermittelt, wie ein franziskanischer Orden mit sexualisierter Gewalt umging.

Als erster katholischer Orden in Deutschland haben die Franziskaner-Minoriten am Montag eine extern begleitete, unabhängige Untersuchung zu sexualisierter Gewalt vorgelegt. In ihr dokumentieren und bewerten zwei Rechtsanwältinnen auf 152 Seiten Vorwürfe gegen neun namentlich bekannte Ordensmänner seit den 1960er Jahren. Von einem Bruder werden Übergriffe auf 20 verschiedene Personen geschildert.

“Eine Besonderheit war, dass etliche Betroffene in den Orden eingetreten sind beziehungsweise bereits dort waren und es nach wie vor Betroffene unter den Brüdern gibt”, so die Autorinnen Petra Ladenburger und Martina Lörsch. Viele Betroffene hätten von schweren Folgen berichtet, die sie zum Teil heute noch belasteten. Einige beschuldigte Brüder seien charismatische Persönlichkeiten gewesen und hoch angesehen. Einer habe sich regelrechte “Machtenklaven” aufgebaut, wo er “wenig bis gar nicht kontrolliert wurde”.

Es handelt sich um die erste derartige Studie auf Basis der 2021 getroffenen Vereinbarung der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Die Franziskaner-Minoriten haben in Deutschland 40 Mitglieder in sechs Niederlassungen. Der Chef der Provinz, Bruder Andreas Murk, ist zugleich DOK-Vorsitzender.

Die Untersuchung wurde von einem bei der DOK angesiedelten unabhängigen Beratungsausschuss begleitet. Dieser erklärte in einer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegenden Stellungnahme, einige Beschuldigte hätten fast 30 Jahre ungeahndet sexualisierte Gewalt ausüben können, bis wirksame Sanktionen zum Tragen gekommen seien.

Mängel bei der Amtsübergabe zwischen den wechselnden Ordensoberen hätten dazu geführt, dass angedrohte Konsequenzen nicht durchgesetzt oder überwacht worden seien. “Die Hoffnung kombiniert mit dem Prinzip der franziskanischen Barmherzigkeit, dass sich jemand zum Guten verändert, war groß, aber nicht real.” Zu den Betroffenen zählten Kinder und Jugendliche in Ordensinternaten in Bonn und Würzburg sowie junge Leute im Rahmen von Seelsorge und Jugendarbeit.

Die Beschuldigten seien uneinsichtig, reuelos und unkooperativ gewesen. Die Aufarbeitung müsse nun weitergehen. “Zum derzeitigen Zeitpunkt bleibt offen, inwieweit die Verantwortungsübernahme der Ordensgemeinschaft gegenüber den Betroffenen gelingt”.

Der Ausschuss begleitet nach eigenen Angaben derzeit 16 Ordensgemeinschaften im Aufarbeitungsprozess. Fünf weitere unabhängige Studien seien beauftragt. Die Zahl der deutschen Ordensgemeinschaften, die von Missbrauchsvorwürfen wissen, ist deutlich höher. Bei einer Befragung vor vier Jahren erklärten etwa 100 von entsprechenden Fällen zu wissen.

Der Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten, kündigte in einer ersten Reaktion ein Treffen mit Betroffenen an. In etwa zwei Wochen wolle er direkt in Austausch mit denen kommen, die an dem Bericht mitgearbeitet hätten, erklärte Bruder Andreas Murk gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “In unserer Gemeinschaft hat die Aufarbeitung geholfen, eine Unkultur des Schweigens zu durchbrechen.” In einem Jahr werde Bilanz gezogen, “was zum besseren Schutz der uns anvertrauten Menschen geschehen ist”.