Missbrauchs-Kommission nimmt Strukturen und Kasper in den Blick

Die Kommission konzentriert sich „vorrangig“ nicht nur auf frühere Missbrauchsfälle, sondern auch auf Strukturen, die Aufdeckung von Missbrauch erschwert haben. Auch die Amtszeit von Walter Kasper gerät in den Blick.

Die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sieht eine ihrer vorrangigen Aufgaben in der „Identifikation von Strukturen, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben“. Das teilte die Kommission nach der Vorlage ihres Jahresberichts 2023 mit, der am Donnerstag für Aufsehen gesorgt hatte. Denn darin spielt auch die Amtszeit des heute 91-jährigen Kardinals Walter Kasper eine Rolle, der von 1989 bis 1999 Bischof der württembergischen Diözese war. „Bis in die 1990er Jahre“ seien im Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Kleriker „Dilettantismus, Überforderung und Inkompetenz, Verschleierung oder Vertuschung“ vorherrschend gewesen, heißt es im Bericht der Kommission.

Auf „sämtlichen Ebenen“ sei im Kontrast dazu jedoch „in der neueren Zeit eine deutliche Professionalisierung, ernsthafte Auseinandersetzung und Konfrontation mit dem Thema sexualisierte Gewalt festzustellen“. Aktuell gehören der seit zwei Jahren tätigen Aufarbeitungskommission sieben Mitglieder an: zwei Betroffenenvertreter, drei vom Land Baden-Württemberg benannte und zwei kirchliche Mitarbeiter. Diese leisteten die geforderte Aufarbeitung gemäß der vorher festgelegten Standards „in Eigenregie“.

Dazu würden Akten durchgesehen und Zeitzeugen befragt. Solche Zeitzeugengespräche fanden laut Jahresbericht mit früheren Personalverantwortlichen – inklusive Kasper und dem früheren Diözesanadministrator sowie Weihbischof Johannes Kreidler – statt und hätten Erkenntnisse zu Verfahrensabläufen, zum Verhalten der Kirche zu Tätern und Betroffenen sowie zur Aktenbehandlung erbracht.

„Die Mehrzahl der Zeitzeugen wurde danach gefragt, ob sie Kenntnis von Vertuschung, insbesondere auch durch Aktenvernichtung haben“, heißt es im Bericht. Von „gezielter Vertuschung sexualisierter Gewalt durch Aktenvernichtung“ berichte zwar keiner der Zeitzeugen. Allerdings habe gerade im Umgang mit dem Themengebiet sexualisierter Gewalt ein persönliches Prinzip gegolten: „Vieles wurde mündlich beziehungsweise telefonisch besprochen und verhandelt; Gesprächsinhalte wurden nicht aktenkundig.“ Fazit der Kommission: „Verschleierung war deshalb ein Dauerzustand, bei dem die aktive Vertuschung nicht nötig wurde.“

Das Bistum Rottenburg-Stuttgart äußerte sich zunächst nicht zu dem Kommissions-Bericht.