Misereor fordert mehr Engagement bei weltweiter Armutsbekämpfung

Trotz einer wachsenden Weltwirtschaft ist die globale Ernährungsarmut dramatisch hoch. Zu diesem Ergebnis kommt die am Dienstag in Aachen vorgestellte Studie „Armutslücke Welternährung 2024“ des katholischen Hilfswerks Misereor und der Universität Göttingen. Danach fehlte im Berichtszeitraum 2022 weltweit zwei von fünf Menschen das Geld für eine gesunde Ernährung. Besonders kritisch ist die Situation danach in Subsahara-Afrika. Misereor-Ernährungsexperte Lutz Depenbusch forderte mehr Engagement der Bundesregierung bei der weltweiten Armutsbekämpfung. Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit seien nicht verantwortbar.

Laut der Studie konnten sich weltweit 3,1 Milliarden Menschen keine ausreichend gute Ernährung leisten. Damit ist das Ausmaß der Ernährungsarmut im Vergleich zum Vorjahr in etwa unverändert. Misereor hatte 2023 erstmals entsprechende Berechnungen vorgelegt. Die Armutslücke für eine ausreichende Ernährung aller Menschen weltweit betrage 2,59 Billionen US-Dollar, heißt es in der aktuellen Studie. „Bei einer globalen Wirtschaftsleistung von 139 Billionen US-Dollar entspricht diese Lücke lediglich 1,86 Prozent der globalen Einkommen“, erklärte Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen. „Es ist genug für alle da. Jetzt muss es auch dort ankommen, wo es am dringendsten gebraucht wird“, forderte Depenbusch.

Ursache des verschärften Ernährungsmangels in den vergangenen Jahren ist der Studie zufolge die Corona-Pandemie, von der sich viele ärmere Staaten nicht erholt hätten. Zuvor hatte sich die Armutslücke zwischen 2017 und 2019 sogar um zehn Prozent verringert. In den Pandemiejahren 2020 und 2021 sei es dann wieder zu einem Anstieg auf 2,58 Billionen US-Dollar gekommen. Weltweit habe sich die Weltwirtschaft zwar erholt und das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen habe bereits 2021 das Vor-Corona-Niveau überschritten. „Das ist 2022 aber bei den ärmsten Ländern noch nicht angekommen“, sagte Depenbusch. Das Jahr 2022 habe statt des erhofften Aufschwungs neue Krisen gebracht. So habe der Krieg in der Ukraine die Lebensmittelpreise, vor allem bei Getreide, in die Höhe getrieben.

Besonders kritisch sei die Situation in Subsahara-Afrika. Hier wachse die Armutslücke durchgehend seit 2019. „Mit jedem Jahr ohne Trendwende wird es dort immer schwieriger, Hunger und Mangelernährung zu besiegen“, warnte Depenbusch. Ein Beispiel sei Mosambik, das Land mit der größten Armutslücke pro Person. 94 Prozent der Bevölkerung können sich laut Studie dadurch nicht gesund ernähren. Im Vergleich der Weltregionen weise Südasien mit 30 Prozent den größten Anteil an der globalen Armutslücke auf. Indien und Pakistan zählten etwa zu den Ländern mit der größten nationalen Armutslücke. Das Problem der Ernährungsarmut beschränke sich aber nicht auf die ärmsten Länder der Welt, heißt es in der Studie. Auch in Brasilien oder Südafrika könnte sich mehr als die Hälfte der Menschen keine gesunde Ernährung leisten. Ursache sei dort die Ungleichheit.

Angesichts der weltweiten Ernährungsarmut seien die geplanten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit im Bundeshaushalt nicht verantwortbar, kritisierte Depenbusch. Deutschland sei gefordert, auf internationaler Ebene Vorstöße zu unterstützen, um ärmere Länder krisenfester zu machen. Eine Maßnahme seien etwa Lebensmittellager. Zudem müsse die lokale Lebensmittelproduktion gestärkt werden. Um die weltweite Armut zu verringern, solle sich die Bundesregierung bei den Vereinten Nationen für den Abschluss eines globalen Steuerabkommens und ein geordnetes Entschuldungsverfahren für hoch verschuldete Länder einsetzen.