Migrationsforscher fordert UN-Dekade für Flüchtlinge

Bei einem Fachtag der Diakonie kritisiert Mitgrationsforscher Bade: Die Gesellschaft versündige sich gegen die eigene Zukunft und vor Gott.

Flüchtlinge vor dem Berliner Lageso
Flüchtlinge vor dem Berliner LagesoChristian Ditsch / epd

Oldenburg/Osnabrück. Der Migrationsforscher Klaus Jürgen Bade hat eine Dekade der Vereinten Nationen zum Schutz von Flüchtlingen gefordert. "Wir haben keine Flüchtlingskrise, sondern eine weltweite Krise, die die Flüchtlinge an die Grenzen Europas bringt", sagte er bei einem Fachtag der Diakonie im Oldenburger Land zum Thema Migration. Eine Weltgemeinschaft, die immer tiefere Einblicke in die Hintergründe und Antriebskräfte von Fluchtbewegungen gewinne und nicht dagegen handele, "versündigt sich gegen die eigene Zukunft und vor Gott".
Bade sprach sich für eine neue Flüchtlingspolitik in Deutschland und der Europäischen Union aus. Als Modell könne das Eingliederungsprogramm für Spätaussiedler aus den damaligen GUS-Staaten dienen. Außerdem müssten die Aufgaben Asyl und Migration schnellstmöglich vom Bundesinnenministerium zum -sozialministerium verlagert werden. Das Innenministerium denke nur in Sicherheitskategorien und Abwehrstrategien. Es gehe aber um Menschen, die zum größten Teil nicht freiwillig auf der Flucht seien.

Kommunen tragen die Last

Entscheidend sei, die Fluchtursachen zu bekämpfen, betonte Bade. Das bedeute auch, die bisherige Weltökonomie infrage zu stellen. Altkanzler Helmut Schmidt habe mit Recht vom "Raubtierkapitalismus" gesprochen. Papst Franziskus gehe noch weiter, in dem er sage "diese Form der Wirtschaft tötet Menschen". Ohne eine entschiedene Bekämpfung der Fluchtgründe "bleibt die europäische Abwehrpolitik ein Skandal".
Für Deutschland mahnte der Migrationsforscher eine bessere Organisation der Flüchtlingsversorgung an. "In Deutschland frieren und hungern Menschen, weil es in der Verwaltung nicht genug Personal gibt, um das Geld zu verteilen."
Die Hauptlast an der nach Ansicht Bades "verfehlten Flüchtlingspolitik" hätten die Kommunen zu tragen. Sie müssten schnell finanziell entlastet werden, damit es nicht zu Konkurrenzkämpfen um die Ressourcen komme. "Ein Staat, der selbstverschuldet in Not geratene Banken mit einem dreistelligen Milliardenbetrag retten konnte, sollte unverschuldet in Not geratene Kommunen doch mit einem zweistelligen Milliardenbetrag helfen können."
Bade war Professor für Neueste Geschichte in Osnabrück. Er gründete unter anderem das Osnabrücker Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, den bundesweiten Rat für Migration und die Gesellschaft für Historische Migrationsforschung. (epd)