Migrationsexperte: “Bezahlkarte ist Symbolpolitik”

Im Juli muss Schleswig-Holstein endgültig entscheiden, welche Funktionen eine Bezahlkarte für Geflüchtete haben soll. Größter Diskussionspunkt in der schwarz-grünen Landesregierung ist die Höhe der Bargeldauszahlung, die mit der Karte möglich sein soll. Ein falscher Ansatz, sagt Matthias Lücke, Senior Researcher am Kiel Institut für Weltwirtschaft und Honorarprofessor an der Universität Kiel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es muss darum gehen, eine Verwaltungsvereinfachung zu erreichen und für die Menschen, auch mit der Bezahlkarte, eine hohe Flexibilität zu erhalten.“

Es gebe viele legitime Zahlungen, die nur in bar abgewickelt werden können, gibt Lücke zu bedenken. „Wenn Menschen im Sozialladen und auf dem Markt einkaufen, oder ihren Rechtsanwalt, der oft keine Bezahlkarten annehmen kann, bezahlen wollen.“ Die Bezahlkarte als solche hält Lücke für unproblematisch. „Aber Leute zu nötigen, anders einzukaufen, als sie es sonst tun würden, das kann eigentlich nicht Sinn der Sache sein“, sagt der Migrationsforscher.

Es sei sinnvoll zu prüfen, was Geflüchtete in einem Landkreis überhaupt mit der Karte bezahlen könnten, sagt Lücke. „Warum soll man zum Beispiel nicht online Dinge kaufen, die vielleicht billiger sind als im örtlichen Laden, gerade in ländlichen Gebieten?“

„Zahlungen ins Ausland zu verhindern, wird aus meiner Sicht nicht funktionieren.“ Wer Bargeld benötige, werde Mittel und Wege, beispielsweise über Einkäufe für Freunde finden, um die Bezahlkarte zu Geld zu machen, sagt Lücke. Für den Experten sei es zu vernachlässigen, wenn Abgespartes von den monatlich 300 bis 400 Euro Sozialleistung an Verwandte ins Herkunftsland geschickt werden. „So viel Altruismus muss doch in Deutschland erlaubt sein. Da geht es typischerweise um lebensnotwendige Medikamente oder Nahrungsmittel für Menschen, die sonst hungern würden.“

Ob Bargeld oder Bezahlkarte macht für den Forscher keinen Unterschied. Bezahlkarte statt Bargeld habe keinen „relevanten Pull-Effekt“, glaubt Lücke.

Die Bezahlkarte ist für Lücke zu viel Symbolpolitik, dafür sei das Thema „dafür absolut ungeeignet“. „Es macht keinen Sinn, Menschen das Leben unnötig schwer zu machen und zu erwarten, dass sie dann weggehen.“ Das werde nicht passieren. Zumal wichtigere Themen wie Kitaplätze dadurch in den Hintergrund gerieten, wenngleich sie dringender seien, betont der Forscher.

„Wenn die Menschen zeitweise oder dauerhaft hier leben und Geld bekommen, dann sollte ihnen Teilhabe ermöglicht werden“, fordert Lücke. Dazu gehören Online-Einkäufe, Bargeldabhebungen und Überweisungen. „Die staatliche Leistung, die ja knapp genug bemessen ist, steht ihnen schließlich zu.“