Menschheitsfragen angehen

Mit einer ökumenischen Pilgertour durch Deutschland machen die Kirchen auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes aufmerksam. In Soest feierten sie einen Gottesdienst mit Präses Kurschus

SOEST – „Herrlich“, schwärmt der Bannerträger und lobt den prasselnden Landregen, der pünktlich einsetzt, als sich die gut 30 Klimapilger von der Wiesenkirche in Soest aus auf den Weg machen. Pfarrer Kai Hegemann begleitet die Pilger zu ihrer nächsten Station nach Lippstadt. Mit auf den Weg macht sich auch Präses Annette Kurschus, die leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen.Zum optimistischen Appell „Geht doch!“ sind die Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen unterwegs, um für eine Einzeletappe, für eine längere Strecke oder sogar auf der insgesamt 1700 Kilometer langen Tour ihre Freude am Pilgern mit dem Einsatz für Klimagerechtigkeit und Klimaschutz zu verbinden.
Zuvor hatten sie in der Soester Wiesenkirche einen prächtigen Gottesdienst gefeiert. Schuld und Sünde, das Bitten um Vergebung und das Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit – das sind die großen Themen des 51. Psalms, den Annette Kurschus dabei in den Mittelpunkt der Predigt stellte: „Sie sind längst zu großen Menschheitsfragen geworden“, so die westfälische Präses, „weil die Art, wie wir leben und wirtschaften, die gesamte Schöpfung bedroht und immer mehr Menschen und zahllosen Arten von Lebewesen an die blanke Existenz geht“.Der Pilgerweg führe über Grenzen hinweg, zwischen Ländern und Konfessionen, zwischen Lebensstilen und Denkgewohnheiten, sagte Kurschus und dankte den Pilgerinnen und Pilgern des ökumenischen Weges für die Anstrengungen, die sie „stellvertretend für uns alle“ auf sich genommen hätten. Sie erinnerte daran, dass beim Pilgern ganz bewusst mit allen Sinnen wahrgenommen werden könne, wie schön die Wunder der Schöpfung seien. Gleichzeitig stießen Pilgerinnen und Pilger aber auch auf eindringliche Signale ihrer Verletzlichkeit. „Wir erleben Orte, an denen deutlich wird, wie sehr wir der Natur schaden, wie weh menschliche Eingriffe tun, aber auch, wie sehr wir auf sie angewiesen sind.“
Pilger fänden Orte, an denen Sorge um Klima und Angst vor Arbeitslosigkeit unversöhnlich aufeinanderprallen; an denen wirtschaftliche und politische Mächte immer noch nicht die Kraft finden, neu zu denken und neu zu handeln. Deutlich werde auch, dass die Art, in der wir leben, auch die Menschheit bedrohe, der „Weg der Umkehr“ angetreten werden müsse, um wachzurütteln und lebenswertes Leben auch für Kinder und Kindeskinder zu ermöglichen.
Zum Pilgerweg, der durch sechs Bundesländer, sieben evangelische Landeskirchen, neun katholische Diözesen, aber auch drei Braunkohlegebiete und vier Landeshauptstädte führt, gehören Besuche von „Kraftorten“ und „Schmerzpunkten“. Exkursionen, ökumenische Andachten und Aktionen geben neue Impulse und zeigen auf, wo die Gefährdung der Schöpfung deutlich zu Tage tritt. Kirchengemeinden und gemeinnützige Verbände vor Ort organisieren Begegnungen und thematische Abende, sorgen für Unterkunft und Verpflegung. Die westfälische Wegestrecke führte auch über Unna und Werl, dort nahm Kai Hegemann die Pilger in Empfang, um sie nördlich des Hellwegs nach Soest zu begleiten.
Seit zwei Wochen sind sie unterwegs, elf Wochen liegen noch vor ihnen: Der Pilgerweg startete am 9. September in Bonn. Bis zum 29. September ist die Gruppe noch in Westfalen unterwegs, mit einem Abstecher durch lippisches Gebiet (siehe Meldung links), dann geht es weiter nach Berlin, wo der Regierung ein Forderungspaket zum Themenbereich Klimagerechtigkeit und Klimaschutz übergeben werden soll. Am 9. Dezember geht die Aktion im polnischen Kattowitz zu Ende, wo die 23. Weltklimakonferenz die Spielregeln des Pariser Klimaabkommens von 2015 weiterverhandelt.