Menschenrechtler: Justizverfahren in Türkei oft nicht fair
Die Türkei gilt als möglicher EU-Betrittskandidat. Doch die Rechtssituation in dem Land entspricht laut Menschenrechtlern nicht den erforderlichen Standards. Das zeige ein am Donnerstag vorgelegtes Gutachten.
Laut einem Gutachten der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat die türkische Justiz Strafverfahren genutzt, um regierungskritisches Handeln einzuschränken. “Strafverfahren mit politischem Bezug sind in der Türkei zu einer Farce verkommen”, kritisierte die Pro-Asyl-Sprecherin Wiebke Judith am Donnerstag in Frankfurt. Willkürliche Verfahren und Haftstrafen seien in dem Land an der Tagesordnung.
Die Organisation forderte, Asyl-Entscheidungen in Deutschland sollten die im Gutachten beschriebene Situation stärker berücksichtigen. “Diese Realität muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkennen”, sagte Judith. Das Gutachten belege, dass besonders Kurden dem Risiko ausgesetzt sind, “Opfer der türkischen Justiz” zu werden.
Strafverfahren, die auf terrorismusbezogenen Vorwürfen basierten, würden demnach regelmäßig rechtsstaatliche Kriterien unterlaufen, kritisierte Pro Asyl. Es gebe beispielsweise geheime Zeugen, die von den Verteidigern zu den Angaben nicht befragt werden können. Auch sei die richterliche Unabhängigkeit in dem Land nicht mehr gewährleistet. Insgesamt hätten Betroffene wenig Chancen auf ein faires Verfahren.
Nach Angaben von Pro Asyl führten zwei renommierte Rechtswissenschaftler die Studie durch. Deren Identität teilte die Organisation “aus Sicherheitsgründen” nicht mit.
Grundlage der 140 Seiten umfassenden Studie sind laut Pro Asyl Urteile türkischer Gerichte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Berichte des Europarats und der Europäischen Kommission sowie Interviews mit Anwälten. Die Studie wurde den Angaben entsprechend von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe begleitet und finanziell unterstützt; auch Amnesty International Deutschland förderte die Arbeit.