Menschenrechtler erinnern an „dunkle Kapitel“ in der Nato-Geschichte

75 Jahre nach Gründung der Nato am 4. April 1949 haben Menschenrechtler an vermeintliche Fehler und Versäumnisse in der Geschichte des Militärbündnisses erinnert. „Die wichtige Rolle der Nato als Schutzschild gegen reale Bedrohungen wird zu Recht gewürdigt, aber das Bündnis hat nicht nur eine ruhmreiche Geschichte“, sagte der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, am Mittwoch in Göttingen. „Eines der dunkelsten Kapitel ist die vorbehaltlose Unterstützung der Türkei trotz der Menschenrechtsverbrechen gegen die kurdische Bevölkerung.“

Seit dem Beitritt der Türkei 1952 sei die Nato für die Menschenrechts- und Kriegsverbrechen des Staates an der kurdischen Bevölkerung und die Unterdrückung der türkischen Demokratiebewegung mitverantwortlich, betonte Sido. Mithilfe der Nato habe die Türkei versucht, die kurdische Sprache, Kultur und Identität auszulöschen: „Das war ein versuchter Völkermord an den Kurden in der Türkei.“

Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung habe das türkische Militär in den 1980er und 1990er Jahren aktuellen Schätzungen zufolge mindestens drei Millionen Kurden sowie Assyrer und Aramäer, Christen, Jesiden und Aleviten vertrieben. Rund 4.000 Dörfer in Türkisch-Kurdistan seien zerstört und 17.000 Menschen von sogenannten „Unbekannten“ ermordet worden.

Seit 2018 gehe die Türkei auch gegen Kurden in Syrien vor, kritisierte Sido: „Trotzdem hat die Nato nicht reagiert und dabei ihre Werte verraten.“ Etwa 1,5 Millionen Menschen seien aus Nordsyrien vertrieben worden oder hätten fliehen müssen. Die Lage der Menschen vor Ort sei von Unsicherheit und Gewalt geprägt, „es wird gemordet, geplündert und vergewaltigt“. Durch tägliche Angriffe werde der Lebensraum systematisch weiter zerstört, um die Gebiete kurdenfrei zu machen.