Gedränge-Forscherin zur Fußball-EM: Menschen oft hilfsbereit

Fußballschauen im Stadion oder auf der Fanmeile: Wie reagieren Menschen, wenn sie sich in einer Menge befinden? Und wann ist die Sicherheit gefährdet? Eine Sozialpsychologin klärt auf.

Gegen gefährliches Gedrängel bei Großveranstaltungen wie etwa der Fußball-EM hilft nach Einschätzung einer Sozialpsychologin vor allem Gerechtigkeit. Um ungute Dynamiken zu vermeiden, müssten möglichst gerechte Lösungen für die Besucher etwa bei Einlasskontrollen gefunden werden, sagte Gedränge-Forscherin Anna Sieben der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie ist neue Professorin für Sozialpsychologie in der zivilen Sicherheitsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal.

Zudem sei es sinnvoll, die Fläche bei Einlasskontrollen zu strukturieren. Unter Umständen könne ein kleiner Wartekorridor besser sein als eine große Fläche. “In einer großen Menge gilt sonst schnell das Recht des Stärkeren.”

Anders als oft vermutet seien viele Menschen in gefährlichen Situationen aber grundsätzlich hilfsbereit. Als Beispiel nannte die Expertin die Loveparade, bei der 2010 in Duisburg 21 Menschen starben und mehr als 600 zum Teil schwer verletzt wurden. “Wir haben damals viele Menschen gesehen, die unter Einsatz des eigenen Lebens versucht haben, den Menschen, die ohnmächtig wurden, zu helfen, indem sie sie zum Beispiel hoch über die Menge gehalten haben”, sagte Sieben.

Es gelte, mit falschen Eindrücken aufzuräumen, so die Wissenschaftlerin weiter. “Menschen verhalten sich nicht wie Kuhherden oder andere Tiere. Und Menschen geraten in einer Menge auch nicht in Massenpanik, nur weil ein anderer panisch wird. Das glauben aber viele.”

Der Mensch sei meistens in der Lage, sein Verhalten mit anderen abzustimmen, erklärte Sieben. “In Menschenmengen versuchen sich Menschen sozial angemessen zu verhalten. Und meistens funktioniert das auch gut.”

Allerdings könne es Situation geben, in denen sich die sozialen Regeln änderten. Als Beispiel nannte Sieben das Verhalten von Menschen beim Ein- oder Aussteigen von Zügen oder U-Bahnen. Hier gelte eigentlich die Regel: erst aussteigen lassen, dann selbst einsteigen.

“Manchmal wird diese Norm aber nicht eingehalten, und jemand drängelt sich an den anderen vorbei und rein.” Dies könne dazu führen, dass andere diesem Verhalten folgten. “Höflichkeit zählt dann nicht mehr viel, jeder kämpft für sich. Dadurch wird die Situation stressiger und kann auch gefährlich werden”, so die Forscherin.