Ein Mann kehrt nach vierzig Jahren zurück nach Neapel zu seiner todkranken Mutter. Dabei muss er sich auch alten Dämonen stellen.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Vor mehr als vier Jahrzehnten musste Felice (Pierfrancesco Favino) seine Heimatstadt Neapel wegen eines Verbrechens verlassen. Doch nun ist seine Mutter todkrank. Felice, der in Kairo ein erfolgreicher Bauunternehmer geworden ist und eine Familie gegründet hat, kehrt mit gemischten Gefühlen nach Italien zurück. Während sich seine Mutter freut, ihn wiederzusehen, muss er sich erst an die veränderte Stadt gewöhnen. Voll Wehmut erinnert er sich an die schönen Momente seiner Kindheit, aber auch an die dunklen Seiten.
In den Straßen des ehemaligen Armenviertels Sanità erwartet ihn aber auch sein bester Freund Oreste (Tommaso Ragno), der inzwischen zum Boss der Camorra aufgestiegen ist und dem Felices Rückkehr keineswegs passt. In dem Priester Luigi (Francesco Di Leva), der gegen die Machenschaften der Camorra kämpft, findet der Heimgekehrte aber auch einen neuen Vertrauten.
Das melancholische Drama um Herkunft, Identität und die unerwarteten Wege des Lebens vermittelt authentische Einblicke in die neapolitanische Lebenswelt und bewegt mit Szenen tiefer Mitmenschlichkeit. Den Einsatz gegen das organisierte Verbrechen zeigt der Film von Mario Martone verhalten optimistisch als mühsamen, aber alternativlosen Kampf der kleinen Schritte. – Sehenswert ab 16.
Ein Mann kehrt nach vierzig Jahren zurück an seinen Geburtsort, den er als Jugendlicher überstürzt verlassen hatte. Die Stadt scheint unverändert, was eine nostalgische Seite zum Klingen bringt. Andererseits existieren offene Rechnungen, die beglichen werden sollten. Was nicht ungefährlich ist, weil es sich bei der Stadt um Neapel handelt.
An Bord des Flugzeugs, mit dem Felice in Neapel landet, wird Arabisch gesprochen. Felice, Mitte 50, kann mitreden. In Neapel angekommen, nimmt er sich ein Hotelzimmer, schließt die teure Armbanduhr in den Zimmersafe ein und flaniert ein wenig durch die Stadt. Ziellos, wie es zunächst scheint. Erst am nächsten Tag besucht er seine alte und kranke Mutter, die er allerdings nicht mehr in der alten Wohnung vorfindet, sondern im heruntergekommenen Erdgeschoss. Die fast blinde Frau macht einen leicht verwahrlosten Eindruck, hat aber offenbar die Wohnungen mit einer erklecklichen Abfindung einvernehmlich getauscht. Felice reagiert zunächst irritiert und erbost, schafft dann jedoch Ordnung: Eine andere, lichtere Wohnung, saubere Kleidung und nicht zuletzt ein achtsam vollzogenes Bad der Hinfälligen zeigen einen fürsorglichen Sohn, der nach langer Abwesenheit nach Hause zurückgekehrt ist.
Seine Zeit nutzt Felice für lange Streifzüge durch den labyrinthischen Stadtteil Sanità, der etwas weiter vom Meer entfernt ist. Der Heimkehrer lässt sich einfangen von der Atmosphäre der Stadt, den Geräuschen und Gerüchen, den Begegnungen und Beobachtungen, was der Film “Nostalgia” von Mario Martone dann nicht nur meisterlich gestaltet, sondern zugleich auch noch mit Super-8-Erinnerungsfetzen der Jugend Felices verschneidet. Es ist eine Jugend mit ausgedehnten Motorradausflügen und -rennen, Baden im Meer und Kleinkriminalität.
Begeistert und zugleich erstaunt berichtet Felice seiner in Kairo gebliebenen Ehefrau, dass sich in Sanità in all den Jahren wenig bis nichts verändert habe. Doch zumindest in den Abendstunden, wenn bewaffnete Jugendbanden auf Motorrädern durch die Straßen marodieren, scheint bei Felice der Panzer der Verklärung brüchig zu werden. Es kommt auch zu Begegnungen mit Menschen, die Felice kennen, an die er sich aber beim besten Willen nicht erinnern kann.
Als die Mutter dann stirbt, könnte Felice nach Kairo zurückkehren, aber etwas hält ihn zurück. Denn in seinen Jugenderinnerungen ist Felice selten allein. Zumeist ist er in Begleitung seines besten Freundes Oreste. Der hat Sanità niemals verlassen, sondern wurde zum äußerst gefährlichen und gefürchteten Boss der örtlichen Camorra. Längst hat Oreste von der Rückkehr Felices erfahren und sendet ihm unmissverständliche Signale, dass er die Stadt schleunigst wieder verlassen solle. Wiederholt wird Felice explizit vor Oreste gewarnt.
Bei der Trauerfeier für Felices Mutter kommt dann ein weiterer Akteur ins Spiel: der Priester Don Luigi. Der fungiert in Sanità als Widerpart zu Orestes Machtgefüge, indem er den Jugendlichen alternative Angebote macht und die Verflechtungen zwischen Camorra und den lokalen Behörden öffentlich macht. Zwischen dem Priester und dem Heimgekehrten entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis, dass es Felice schließlich auch erlaubt, zu erzählen, warum er einst Neapel so überstürzt verlassen hat. Don Luigi verspricht dieses Geheimnis zu wahren, baut Felice aber als erfolgreich-weltgewandtes “Role Model” einer Biografie jenseits von Kriminalität und Perspektivlosigkeit auf. Damit aber gerät Felice mitten hinein in die Auseinandersetzung zweier Lager, denn für Oreste stellt er eine Gefahr da. Immerhin: In der Stadt steht Felice unter dem Schutz der Gefolgschaft Don Luigis. Soll Felice darauf vertrauen?