“Meine fremde Frau” – Spielfilm zwischen Krimi und Familiendrama

Harald Krassnitzer versucht im gleichnamigen Film zu ergründen, wer “Meine fremde Frau” war und streift dazu durch den Filz von Wien. Ein fesselndes Drama mit toller Besetzung.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Der Fahrer einer Nobelkarosse begeht im nächtlichen Wien Fahrerflucht. Zurück bleiben eine im Koma liegende Frau (Ursula Strauss) und ein Zeuge. Als die Frau erwacht, kann sie sich an ihr Leben vor dem Unfall nicht mehr erinnern, entwickelt bald aber wieder Zuneigung zu ihrem Mann (Harald Krassnitzer). Der aber weiß, dass ihre Ehe zuvor in der Krise steckte, und ist vor allem an der Identität des Zeugen interessiert.

Das fesselnde Fernseh-Drama von Lars Becker von 2015 nutzt die Kriminalhandlung als Folie für eine glaubhaft entwickelte und gut gespielte Beziehungstragödie.

Maria trägt eine lange Liste mit sich herum. Namen, Krankheiten, Behandlungsumfang stehen darauf – und eine exakte Minutenanzahl, die angibt, wie viel Zeit die Pflegerin in jedem Haushalt verbringen darf. Maria hetzt von Patient zu Patient; sie hetzt dann, nach Feierabend, ins Cafe zu ihrem Freund. Und als sie noch einmal dorthin zurück hetzt, um ihr vergessenes Handy zu holen, wird Maria überfahren.

In “Meine fremde Frau”, einer Koproduktion von ZDF und ORF, die am Mittwoch in 3sat zu sehen ist, durchmisst Regisseur und Co-Autor Lars Becker den ganzen Schmäh und die ganze Korruption, die altmodisch dekadenten Fassaden und die Verlotterung im Umfeld derer, die sich selbst wohl für die High Society von Wien halten.

Der Mann mit dem graumelierten Haar jedenfalls, der mit zwei Kindern ins Krankenhaus eilt und Maria (Ursula Strauss) dort im Koma vorfindet, ist ihr Ehemann Bruno, gespielt von Harald Krassnitzer. Als Maria aufwacht, kann sie sich an nichts erinnern. Bruno, der als Staatsanwalt arbeitet, macht sich auf die Suche nach dem flüchtigen Fahrer, der Maria schwerverletzt liegen ließ und in seinem flotten Audi in die Nacht brauste. Und je intensiver er recherchiert – bei Patienten etwa oder im Orchester der Staatsoper, wo Marias Geliebter Lukas Horvath (Philipp Hochmair) Dirigent ist und einer ihrer Patienten das Cello spielt – desto tiefer verstrickt er sich in gleich zwei ineinander verschlungene Geschichten.

Die eine ist die einer Familie, in der die Mutter eine andere war, als Kinder und Ehemann dachten, und in der man versuchen muss, sich ganz langsam wieder aneinander zu gewöhnen . Hier testen Strauss und Krassnitzer mit großer Behutsamkeit die seltsame Melange aus Distanz und Nähe aus, in der die Hofers nun stecken. Große Gefühle finden sich da – bei ihr aus Unkenntnis, bei ihm aus Rücksichtslosigkeit – zumindest an der Oberfläche nicht. Es ist ein langsames Aneinandergewöhnen, ein steiniger Weg zurück zu so etwas ähnlichem wie liebevoller Partnerschaft, eine Abfolge von Versuch und Irrtum.

Die zweite Geschichte ist die von einem Baulöwen namens Lorant, einer schmierigen, neureichen Type, von der man annehmen muss, dass sie inspiriert ist von realen österreichischen Vorbildern. Breit walzt Nicholas Ofczarek seinen Heimatdialekt hier aus – wenn die bohrenden Fragen der Ermittler an Lorant abprallen oder wenn er unbeholfen-großkotzig den Dirigenten Horvath umschmeichelt: Horvath, den einzigen Zeugen der Fahrerflucht. Horvath, der vage oder vielleicht doch recht genaue Erinnerungen daran hat, wer in dieser Nacht am Steuer saß und wer auf dem Beifahrersitz.

Sebastian Edschmid führt seine Kamera bei diesen Erkundungen meist dicht an den Figuren entlang, manchmal springt er mit einem kurzen, heftigen Zoom direkt auf sie zu – Bilder eines nur scheinbar vertrauten Umfeldes, in denen sich immer wieder das Erschreckende im Bekannten entblößt und das Grausame im Eleganten. Dann, immer wieder und durchaus fernsehfilmtypisch, zeigen Postkartenbilder der Wiener Ringstraße deren klassizistische Wucht, neben der der schlichte Alltag mit seinen kleinen Lügen und seinen großen Verbrechen sich so durchmanövriert.

Am Ende, als beide Geschichten sich vereinigt haben, lässt Lars Becker den Thrill und die Entlarvungslust einfach fahren. Es sei ihm wurscht, entfährt es dem furchtbar müden Hofer, als sein bester Freund, ein Kommissar, ihm erzählt, dass der Täter nun bald dingfest gemacht werde. Im Wettstreit mit dem Krimi trägt das Familiendrama also den Sieg davon – ein konsequenter Schluss für einen Film, der vor allem daran interessiert ist, welche Spuren ein Verbrechen hinterlassen kann.