Mehr Drogenkonsumräume für Suchtkranke? Eine Bilanz zum Jubiläum
Die Todeszahlen steigen: Beratungsstellen fordern deshalb mehr Drogenkonsumräume für Suchtkranke. Sie sehen in den aktuellen Drogentrends neue Risiken. Vor 30 Jahren wurde die erste “Fixerstube” eröffnet.
30 Jahre nach der Eröffnung des ersten Drogenkonsumraums steigen die Zahlen Drogentoter in Deutschland drastisch an. Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik forderte deshalb am Donnerstag einen “zügigen Ausbau” der Angebote.
“Drogenkonsumräume müssen niedrigschwellig installiert werden”, sagte Vorstandsvorsitzender Heino Stöver. Bislang gebe es zu viele gesetzliche Hürden. In einigen Bundesländern seien die Räume nicht erlaubt. Viele Menschen würden deshalb von den Angeboten ausgeschlossen.
2023 verzeichnete das Bundeskriminalamt 2.227 drogenbedingte Todesfälle, mehr als doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. Die meisten Drogentoten starben an Heroin und Morphin.
In Deutschland finde bisher kaum Drugchecking statt, die chemische Überprüfung von Drogensubstanzen, hieß es weiter. Der Wirkstoffgehalt von Diamorphin in Heroin etwa sei teilweise stark überdosiert, sagte Nina Pritszens, stellvertretende Vorsitzende der Berliner Drogenberatungsstelle Akzent. “Für Konsumenten kann das schnell lebensbedrohlich werden.”
Der erste Drogenkonsumraum in Deutschland entstand 1994 in Hamburg. Inzwischen gibt es deutschlandweit 27 stationäre und vier mobile Drogenkonsumräume, verteilt auf acht Bundesländer. Gesetzliche Grundlage ist Paragraf 10a des Betäubungsmittelgesetzes. Er ermächtigt die Landesregierungen, durch eine eigene Rechtsverordnung die “Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis” zu regeln.
Drogenkonsumräume müssen dazu bestimmte Mindeststandards erfüllen. Besucher dürfen Drogen nur unter der Aufsicht von Fachpersonal konsumieren. Die Vergabe von Drogen ist nur an volljährige Personen gestattet. Saubere Utensilien sollen gesundheitliche Risiken vermindern. Im Falle einer Überdosis steht eine Notfallversorgung bereit.
In acht Bundesländern sind Drogenkonsumräume nach wie vor verboten, darunter Bayern. Nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe befand sich der Freistaat mit 259 Drogentoten im Jahr 2023 im oberen Drittel aller Bundesländer. Die Städte München, Augsburg und Nürnberg fordern demnach seit mehreren Jahren dazu auf, Drogenkonsumräume zu erlauben. Das bayerische Gesundheitsministerium aber lehnt das bislang ab. Das Verbot des Erwerbs und Besitzes von bestimmten Drogen stehe im Widerspruch zu einer Tolerierung von Drogenkonsumräumen.
Verschiedene Bundesländer arbeiten demnach mit alternativen Methoden zur Bekämpfung von Todesfällen. Bayern etwa fuhr ein Modellprojekt mit der Vergabe von Naloxon. Der Wirkstoff soll bei einer Überdosis von Heroin einen möglichen Atemstillstand stoppen und so Menschenleben retten.
“Drogenkonsumräume wie auch die Vergabe von Naloxon sind eine Maßnahme, aber nicht alles”, sagte Pritszens. “Wir brauchen möglichst viele bedarfsgerechte Angebote.”
Stöver warnte davor, dass sich die Situation in den kommenden Jahren weiter verschärfen könnte. “Der Mischkonsum ist stark angestiegen.” Süchtige griffen häufiger zu synthetischen Drogen wie Fentanyl.