„Mehr als eine Kostenstelle“

Wie lassen sich kirchliche Friedhöfe wirtschaftlich unterhalten? Der Friedhofsbeauftragte aus Mecklenburg, Reinhard Wienecke, spricht im Interview über die Probleme der Gemeinden, die auf den Kosten sitzen bleiben.

Mecklenburgs Friedhofsbeauftragter Reinhard Wienecke
Mecklenburgs Friedhofsbeauftragter Reinhard WieneckePrivat

Sechs kirchliche Friedhöfe sind in den vergangenen Jahren in Mecklenburg entwidmet worden, 40 geschlossen. Es wird immer schwieriger, die 600 kirchlichen Friedhöfe in Mecklenburg wirtschaftlich und dauerhaft zu unterhalten. Es finden weniger Beerdigungen statt, die Pflegekosten schnellen in die Höhe. Um die 220 Kirchengemeinden zu unterstützen, gibt es schon lange die Zentrale Friedhofsverwaltung in der Kirchenkreisverwaltung Mecklenburg und seit 2016 den Friedhofsbeauftragten Reinhard Wienecke, der demnächst in den Ruhestand geht. Mit ihm sprach Christian Meyer.

Warum entschied sich der Kirchenkreis Mecklenburg 2016, die Stelle eines Friedhofsbeauftragten einzurichten? Es gibt doch seit Jahrzehnten die Zentrale Friedhofsverwaltung als Dienstleister.
Reinhard Wienecke: Die Kolleginnen und Kollegen um Stefanie Reißig in Güstrow helfen engagiert bei der oft mühsamen Verwaltung. Doch die Verwaltungsarbeit lässt oft nicht genug Zeit zur Beratung vor Ort oder der Entwicklung neuer Konzepte. Was nötig war, ist eine Ansprechperson. Jemand, der von außen drauf blickt, der berät und mit den Kirchengemeinderäten neue Konzepte erstellt. Das hat mich auch persönlich gereizt. Hier konnte ich meine kirchlichen Erfahrungen in der Jugendarbeit und in der Verwaltung einbringen.

Sie haben sich Problem-Friedhöfe angeschaut, Gespräche geführt, Ideen und Konzepte entwickelt.
Es kam vor Ort gut an, dass sich der Kirchenkreis bewusst ist, dass hier Handlungsbedarf besteht und dass die Gemeinden nicht allein gelassen werden. Ich habe für zahlreiche Kirchengemeinden Dokumentationen ihrer Friedhöfe erstellt und gut 300 unserer Friedhöfe besucht. Friedhöfe sind mehr als eine Kostenstelle. Sie sind Gedenkort, kulturelles Gedächtnis eines Gemeinwesens, Orte der Stille, der Einkehr, aber auch Begegnungsorte.

In der Kirchengemeinde Wanzka und anderswo gibt es bereits Schließungen.
Im Kirchenkreis Mecklenburg gibt es rund 600 kirchliche Friedhöfe, in Pommern rund 350. In den vergangenen Jahren wurden sechs kirchliche Friedhöfe im Kirchenkreis Mecklenburg entwidmet, 40 Friedhöfe wurden geschlossen. Das heißt, sie sind noch Friedhöfe, es finden jedoch nur noch Beisetzungen von Partnern auf vorhandenen Grabstätten statt. Auf 142 Friedhöfen sind Teilflächen geschlossen worden, auf denen keine neuen Grabstätten mehr angelegt werden.

Dünne Finanzdecken sichern vielfach nur noch die Alltagsaufgaben. Insbesondere kleine Dorffriedhöfe können sich oft nur noch finanzieren, weil die Pflege in hohem Maße ehrenamtlich geschieht – Tendenz leider abnehmend. Die nötige Reparatur der Einfriedung, Neuanschaffung von Technik oder die Baumpflege bringen die Friedhofskassen schnell ins Minus. Grund sind die Entwicklungen in der Bestattungskultur, die zu Überhangflächen und Belegungslücken auf den Friedhöfen führen, die jedoch mit gepflegt werden müssen. Ebenso wirken sich veränderte Bestattungsformen aus, wie zum Beispiel in Friedwäldern. Aber vor allem hat sich das Verhältnis von Erdbestattungen zu Urnenbeisetzungen stark geändert. Selbst im ländlichen Bereich liegen Urnenbestattungen meist deutlich über 80 Prozent. Auch Seebestattungen haben zugenommen. Die Friedhöfe werden also weniger ausgelastet. Dazu kommt, dass vielerorts Kommunen Billigbestattungen ohne Namensnennung auf der grünen Wiese anbieten, mit Preisen, die einer echten Kalkulation kaum standhalten würden. Die billige Beerdigung wird damit subventioniert.

Friedhofsmitarbeiter haben berichtet, dass Angehörige Wochen nach der Beerdigung bedauern, dass Angehörige anonym bestattet wurden, es damit keinen gekennzeichneten Ort ihrer Trauer gibt.
Es ist oft so, dass Hinterbliebene sich eben doch einen konkreten Ort wünschen, oder auch einen Namen der verstorbenen Person. Blumen werden dann einfach in die Wiese gesteckt oder heimlich Namensschilder an Kaimauern angebracht. Mit dieser Praxis wird Gedenk- und Erinnerungskultur ausgehöhlt. Oft geht es den Menschen einfach nur um ein Grab, das sie nicht pflegen müssen. Das bieten aber auch die Kirchlichen Friedhöfe in Form von Rasengrabstätten oder Urnengemeinschaftsanlagen an.

Auch aufgrund dieser Situation bleiben die Kirchengemeinden in der stets von der Gemeindekasse extra zu führenden Friedhofskasse auf den Grundkosten sitzen, weil die Gebühren nicht bis zum Anschlag erhöht werden können.
Genau. Die Friedhofsgebühren sind zwar kostendeckend zu kalkulieren, aber sie können nicht endlos erhöht werden. Dies führt sonst zu Friedhofsflucht, da zu hohe Preise von den Menschen einfach nicht akzeptiert werden. 2016 hatten wir eine Erhebung: Fast die Hälfte aller kirchlichen Friedhöfe in Mecklenburg war verschuldet oder hatten nur eine dünne Finanzdecke. 145 Begräbnisstätten waren defizitär, weitere 126 hatten einen Kassenbestand von Null bis unter 2000 Euro. Seit 2019 sind alle Friedhöfe verpflichtet, Rücklagen zu bilden.