Mehr als ein Latin Lover
Frauen spielten eine große Rolle im Leben von Marcello Mastroianni. Schon deshalb, weil der italienische Schauspieler für viele den Inbegriff eines Latin Lovers darstellte. Da konnte Mastroianni selbst so oft er wollte betonen, dass er im wahren Leben diesem Klischee überhaupt nicht nachkomme. Am 28. September wäre der Star des italienischen Kinos 100 Jahre alt geworden. Mastroianni, das war Kino, das war Italien, das war Rom – unvergessen die Szene aus dem Film „Das süße Leben“, in der er durch den Trevibrunnen zu Anita Ekberg watet.
Geboren wurde Marcello Mastroianni 1924 in Fontana Liri, etwa 100 Kilometer südlich von Rom. Der Sohn eines Schreiners und einer Hausfrau wuchs in der italienischen Hauptstadt auf, wo er schon im Alter von elf Jahren als Komparse in den Filmstudios von Cinecittà vor der Kamera stand. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs holte ihn der Regisseur Luchino Visconti in sein Theaterensemble. 1957 übernahm Mastroianni in Viscontis Film „Weiße Nächte“ die Hauptrolle.
Es war aber nicht Mastroiannis erster Erfolg. Bereits 1954 gelang ihm der Durchbruch als Filmschauspieler in Alessandro Blasettis „Schade, dass du eine Kanaille bist“. Es war auch das erste Mal, dass Mastroianni zusammen mit Sophia Loren vor der Kamera stand. Die beiden sollten bald das Traumpaar des italienischen Films werden – zumindest auf der Leinwand, wie in „Hochzeit auf Italienisch“ (1964). „Dies ist einer der traurigsten Tage meines Lebens“, sagte Sophia Loren am Tag der Beerdigung Mastroiannis in Rom. Er starb am 19. Dezember 1996 im Alter von 72 Jahren an Krebs.
Rund ein halbes Jahrhundert lang war Mastroianni als Schauspieler tätig gewesen, mehr als 150 Filme waren mit ihm entstanden. Spätestens nach seinem internationalen Durchbruch mit dem Film „Das süße Leben“ (1960) von Fellini hatte Mastroianni das Bild des Nachkriegsitalieners geprägt. Die Zeitung „La Stampa“ schrieb zu seinem Tod, er sei zu einer nationalen Identifikationsfigur geworden, zum „Gesicht des Italieners, nicht wie er ist, sondern wie er sein könnte oder sollte“.
Interviews gab Mastroianni nur selten. Er habe das Image des Frauenhelden gehasst, schreibt der Journalist und Freund Matroiannis, Enzo Biagi, in einem Buch über den Schauspieler. Auch wenn nicht nur seine Filme, sondern auch sein Privatleben manchen Anlass gaben, das Klischee auf ihn zu projizieren.
1950 heiratete Mastroianni Flora Carabella, kurz darauf kam Tochter Barbara zur Welt. Das Paar ließ sich nie scheiden. Das Geheimnis ihrer 46-jährigen Ehe sei „Zuneigung, Freundschaft und gegenseitige Achtung“ gewesen, sagte Flora nach Mastroiannis Tod, „vor allem aber die Fähigkeit, die Laster des italienischen Mannes zu akzeptieren“. Etliche Liebschaften wurden publik, aus der Beziehung mit der französischen Kollegin Cathérine Deneuve entstammt die Tochter Chiara Mastroianni, auch sie ist heute eine gefragte Schauspielerin.
Neben zahlreichen Frauen prägte vor allem ein Mann das Leben und Schaffen Mastroiannis: Federico Fellini. Ihre Zusammenarbeit malte das Bild des italienischen Films. Und sie inspirierten sich gegenseitig. Mastroianni sagte einmal über den Regisseur: „Fellini liebte es, über und durch andere zu leben, gewissermaßen über Zwischenpersonen. Eine dieser Zwischenpersonen war ich.“ Fellini schätzte die Art Mastroiannis, zu arbeiten: Vom Rollenstudium hielt der nicht viel. Er beobachtete lieber, schöpfte aus dem Leben, schaute sich nur wenige Tage vor Drehbeginn seine Texte an – und lieferte ab.
Mastroianni spielte die Figur des feurigen Liebhabers mit der gleichen Würde, mit der er den Erfolglosen, den Homosexuellen oder den Impotenten mimte. Sein freundliches Lächeln wirkte oft bescheiden, sei es im Film oder auf den roten Teppichen der Kinowelt. Er machte kein großes Gewese um seine Person, sowohl in seinem Spiel als auch bei öffentlichen Auftritten. Als betont normal beschrieben ihn Weggefährten. Untertreiben statt Übertreiben schien sein Motto. Und doch wusste er um seine Wirkung, die sein elegant lässiges Auftreten gepaart mit dem leicht unbeholfen scheinenden Blick und der sich darüber faltenden Stirn auf seine Mitmenschen hatte.
Sophia Lorens Mann, der Filmproduzent Carlo Ponti, soll es am liebsten gesehen haben, wenn Loren zusammen mit Mastroianni spielte. Er sagte einmal, in einer Welt, in der sich mehr oder weniger alle etwas einbildeten, sei Mastroianni nie abgehoben. „Das ist das Geheimnis seiner Größe.“