Nach der geplatzten Richterwahl im Bundestag meldet sich die Medizinerin Hänel zu Wort. Sie gilt als eine Schlüsselfigur im Kampf für die rechtliche Freigabe von Abtreibungen.
Die Medizinerin Kristina Hänel, die erfolgreich gegen das Werbeverbot für Abtreibungen kämpfte, hat auf die damalige Hilfe der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf hingewiesen. Beim Vorgehen gegen den Strafrechtsparagrafen 219a habe sie mit ihr zusammengearbeitet, sagte Hänel dem Berliner “Tagesspiegel” (Freitag): “Frau Brosius-Gersdorf erstellte ein Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Paragrafen.”
Dabei habe die Juristin, die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominiert wurde, “eher eine konservative Meinung vertreten”, sagte Hänel. “Einige Beteiligte aus unserer Initiative wollten den Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbrüche für rechtswidrig erklärt, direkt mit infrage stellen. Aber Brosius-Gersdorf plädierte dafür, innerhalb der herrschenden Rechtsmeinung ausschließlich für die Verfassungswidrigkeit des Informationsverbots zu argumentieren.”
2017 hatte das Amtsgericht Gießen Hänel wegen Werbung für Abtreibungen zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach langem Hin und Her schaffte der Bundestag 2022 das strafrechtliche Werbeverbot ab.
Hänel hofft, dass in den kommenden Jahren auch der Paragraf 218 abgeschafft wird. “Jetzt muss sich Frau Brosius-Gersdorf wehren. Nicht nur wegen ihrer Person, es geht um die Sache, für die sie steht.”
Am 11. Juli war die Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht im Bundestag gescheitert. Gegen Brosius-Gersdorf waren Vorbehalte aus CDU und CSU laut geworden. Im Zentrum der Kritik steht ein Satz der Verfassungsrechtlerin in einem Kommissionsbericht: “Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.”
Zur Spannung zwischen dem Lebensrecht des Embryos und der Selbstbestimmung der Frau sagte Hänel in dem Interview, es gehe um den Körper der Frau. “Welcher Mann würde sich etwas in seinen Körper einpflanzen lassen? Womöglich noch gegen seinen Willen. Und dann die gesundheitlichen Risiken einer Schwangerschaft und einer Geburt in Kauf nehmen, die viel höher sind als bei einem Abbruch.”
Die katholische Kirche vertritt die Position, dass der Schutz der Menschenwürde nicht erst mit der Geburt beginnt, sondern mit der Befruchtung der Eizelle.