Mediziner warnt vor Gesundes-Herz-Gesetz: Check-ups machen krank

Gesundheitschecks helfen, Krankheiten zu entdecken, bevor sie Probleme machen. Doch es gibt auch den gegenteiligen Effekt: Menschen werden mit einer negativen Prognose belastet, obwohl sie vielleicht nie krank werden.

Der ehemalige Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Jürgen Windeler, hat das geplante “Gesundes-Herz-Gesetz” von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scharf kritisiert. “Check-ups machen die Menschen krank, sie machen durch Laboruntersuchungen aus gesunden Menschen von jetzt auf gleich Kranke, und zwar oft lebenslang”, sagte der Mediziner der “Ärzte Zeitung” (Sonntag).

Windeler war bis 2023 Chef des IQWiG in Köln, das Nutzen und den Schaden medizinischer Maßnahmen untersucht. In dem “Gesundes-Herz-Gesetz” plant Minister Lauterbach Herz-Checks für Erwachsene ab 25 Jahren. Für Kinder soll es zusätzliche Untersuchungen auf Fettstoffwechselstörungen geben. Auch sollen Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels öfter als heute verschrieben werden dürfen.

Windeler kritisierte das breit geplante Screening: “Eine Diagnose ist immer erst einmal ein Schaden.” Denn ein Vorteil einer frühen Diagnose sei “nicht sicher”. Einen solchen Nutzen könne man “nur in großen Studien untersuchen, und diese großen Studien gibt es für die geplanten Checks nicht”. Durch ein breites Screening entsteht laut Windeler die Gefahr von Überdiagnostik: Es könnten auch Menschen eine Diagnose erhalten, “die in ihrem Leben nie einen Herzinfarkt bekommen hätten und sehr viel entspannter und ohne Statine gelebt hätten, wenn sie nicht irgendeinen merkwürdigen Check-up gemacht hätten”.

Auch kritisierte Windeler die Pläne von Lauterbach, dass Ärzte häufiger Statine verordnen können sollen. “In einem Gesetz festzulegen, ab welcher konkreten, fein justierten Indikationsstellung man eine Medikamententherapie macht, ist ehrlich gesagt völlig gaga. Wenn sich die Evidenzlage ändert, muss künftig der Bundestag ein neues Gesetz beschließen, um die Verordnungsfähigkeit zu ändern. Das ist Absurdität im Quadrat.”

Über die Erstattung etwa von Medikamenten entscheidet eigentlich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen. “Eine Indikationsstellung ist eine ureigene medizinische Aufgabe und gehört nicht in ein Gesetz”, sagte Windeler.