Medienwissenschaftler Jarren fordert Normen für Umgang mit KI

Der Medienwissenschaftler Otfried Jarren fordert die Medienbranche auf, eigene Normen und Regelungen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Redaktionen zu finden. Die im November 2023 von „Reporter ohne Grenzen“ und weiteren Medienorganisationen verabschiedete Paris-Charta zu KI könne der Anfang eines brancheninternen Dialogs sein, schreibt Jarren in einem Beitrag für den Fachdienst epd medien.

Der Einsatz von KI werde den Journalismus und die Medienbranche grundlegend verändern, schreibt Jarren. KI sei eine Konkurrenz für alle gesellschaftlichen Wissensarbeiter: „Statusverluste und Arbeitsmarkteffekte sind erwartbar.“ Mithilfe von KI könnten viele neue Angebote „und zugleich Imitationen journalistischer Produkte erzeugt und über zahlreiche Kanäle verbreitet werden“. Die Frage sei, wie sich der Journalismus in den sich immer schneller verändernden Märkten sozial und ökonomisch behaupten könne.

Der systematische Einsatz von KI in der Verbreitung journalistischer Produkte über Plattformen werfe „grundsätzliche Fragen nach dem gesellschaftlichen Auftrag und dem professionellen Selbstverständnis von Medien und Journalismus auf“, schreibt Jarren: „KI ist zu einem zentralen Element des aus dem Internet, aus Plattformen und Clouds bestehenden sozio-technischen Systems geworden. Sie wirkt auf die bestehenden Grundlagen der gesellschaftlich etablierten und institutionell akzeptierten Produktion und Vermittlung von Information und Wissen ein.“

Werde KI im Journalismus eingesetzt, erlange diese „gesellschaftsweiten Einfluss auf die Prinzipien und Regeln für die Konstruktion der sozialen Wirklichkeit“. Durch Plattformen wie Twitter und Facebook habe sich die Mediennutzung individualisiert. Das schwäche den Journalismus und die Medien, „deren Ziel es ist, Gesamtüberblicke zu ermöglichen und für viele eine als gemeinsam geteilte Öffentlichkeit zu erzeugen“. Viele Themen und Meinungen ließen sich in den personalisierten Angeboten nicht finden.

Otfried Jarren war von 1995 bis 2001 Direktor am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg und bis Ende 2018 Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich.