Max Liebermanns siebte italienische Reise

Vor 150 Jahren wurde der Impressionismus aus der Taufe gehoben, jene Kunstrichtung, die flüchtige Momentaufnahmen in Szene setzt. Ein Meister darin war Max Liebermann. Viele Anregungen holte sich der Berliner in Italien.

“Es führen viele Wege nach Rom, aber jeder Künstler muss seinen eigenen gehen”, schreibt der Maler Max Liebermann im Jahr 1900. Er selbst sollte im Laufe seines Lebens sechs Mal nach Italien reisen, davon drei Mal in die Ewige Stadt. Eine umfassende Retrospektive über den gebürtigen Berliner Liebermann (1847-1935), einen der bedeutendsten Erneuerer der deutschen Malerei des späten 19. Jahrhunderts, hat es dennoch in Italien bisher noch nie gegeben.

Ab Freitag füllt das Museum Casa di Goethe diese erstaunliche Lücke. Die Ausstellung “Max Liebermann in Italien” vereint bis 9. Februar 32 ikonische Werke des deutsch-jüdischen Malers, Hauptvertreters des deutschen Impressionismus und Präsidenten der Berliner Secession und der Preußischen Akademie der Künste.

Anlass ist einerseits das Jubiläum 150 Jahre Impressionismus, erläutert Gregor Lersch, seit April 2022 Direktor des einzigen deutschen Museums im Ausland. Und: “Liebermann war sein Leben lang ein großer Goethe-Verehrer, deshalb passt es gut zu uns, diese Verbindung durch diese Ausstellung herzustellen.”

“Anch’io in Italien!”, schrieb Liebermann 1893 in einem Brief aus Florenz, in Anspielung auf Goethes Ausruf “Auch ich in Arkadien!”. Die Reiseberichte, die der Dichter über seinen Aufenthalt zwischen 1786 und 1788 verfasste, habe Liebermann eingehend studiert. Davon zeugt eine in der Ausstellung präsentierte Ausgabe der “Italienischen Reise”, die er mit zahlreichen Unterstreichungen versehen hat. Einquartiert hatte sich der Berliner bei seinen Romaufenthalten im noch heute existierenden Hotel de Russie in der Via Margutta, gleich hier hinter der Casa di Goethe. In dem Haus an der Via del Corso hatte der Dichter inspirierende Jahre verbracht.

Dort werden nun bekannte Liebermann-Bilder wie der “Papageienmann” oder sein berühmtes Selbstporträt vor der Staffelei gezeigt. Der Künstler, der zunächst als “Armeleutemaler” verspottet wurde und eher einen Hang zu Frankreich und den Niederlanden hatte, nahm nicht nur Ideen aus Italien mit, sondern realisierte dort auch Ölskizzen und Gemälde. Davon ist etwa die ganz in Brauntönen gehaltene “Venezianische Gasse”, eine plastische Genreszene, in der Ausstellung zu sehen.

Dabei hatte der Künstler ein zwiespältiges Verhältnis zu Italien, es sei ihm zu “pittoresk” gewesen, zitiert Lersch. Der romantischen Italiensehnsucht vieler Landsleute stand Liebermann skeptisch gegenüber. So zeigt sein Ölgemälde “Corso auf dem Monte Pincio” von 1911 eine von Liebermanns typischen Kutschszenen mit Pferden sowie Herren und Damen im Ausgehstaat, in der Ferne ragt zwischen Bäumen die Kuppel des Petersdoms auf. Aber trotz der Bewegung im Vordergrund wirkt die Szene merkwürdig verhalten, der Himmel eher verhangen: Anders als viele Maler vor ihm verfällt Liebermann nicht dem römischen Zauber von Licht und Farben.

Rätsel gibt die Geschichte um das Wandbild auf, das der Künstler in der Loggia seiner Villa am Berliner Wannsee gemalt hat: Es ist inspiriert durch das antike Gartenbild in der römischen Villa di Livia bei Prima Porta. Aber irgendwann übermalte Liebermann sein Werk – Gründe sind laut Lersch bisher nicht bekannt.

Der Katalog zur Ausstellung “Max Liebermann in Italien” liegt sowohl auf Deutsch wie auf Italienisch vor, denn auch die Einheimischen sollen das Werk des deutschen Impressionisten besser kennenlernen. Entsprechend steht die Schau, eine Kooperation mit der Liebermann-Villa am Wannsee, unter der Schirmherrschaft des deutschen Botschafters in Italien, Hans-Dieter Lucas, und des italienischen Botschafters in Deutschland, Armando Varricchio.

Zwischen 1878 und 1913 überquerte der Maler mindestens sechs Mal die Alpen. Darüber hinaus gingen seine Werke in italienische Museen in Venedig, Florenz, Mailand, Rom und Triest ein. Die Ausstellung zeigt außerdem Familienfotos und Porträts aus dem Umfeld des jüdischen Künstlers, darunter die Kreidezeichnung “Die Frau des Künstlers beim Lesen” (1885): Martha Liebermann (1857-1943), ebenfalls jüdischer Herkunft, nahm sich am Tag vor ihrer geplanten Deportation ins KZ Theresienstadt das Leben. Aber das hat Max Liebermann nicht mehr erlebt.