Maßnahmen gegen Missbrauch – Ministerin widerspricht Vorwürfen

Der SPD-Abgeordnete Castellucci warf Bundesfamilienministerin Paus zu wenig Tempo bei staatlichen Maßnahmen gegen Missbrauch vor. Die hielt nun dagegen: Gesetze seien schon auf dem Weg.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat Vorwürfe zurückgewiesen, wonach ihr Ministerium Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch nicht umsetze. „Das Gesetz, dass wir das Thema unabhängige Beauftragte gegen sexuellen Kindesmissbrauch auf eine gesetzliche Grundlage stellen wollen, dass wir auch die Aufarbeitungskommission, den Betroffenenrat stärken wollen, dass wir auch das Thema Schutzkonzept in Einrichtungen stärken wollen, all das ist bereits auf dem Weg“, sagte Paus am Dienstag der „Welt“.

Zuvor hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci der Ministerin mangelnde Initiative vorgeworfen. Bislang seien keine Gesetze zur Stärkung der Missbrauchsaufarbeitung vorgelegt worden. So stehe die gesetzliche Verankerung des Postens der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs sowie der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch weiterhin aus. „Das Ausmaß und auch der Umgang mit sexualisierter Gewalt sind nicht nur in den Kirchen erschreckend und Aufarbeitung steht trotz engagierter Arbeit vieler Institutionen und Einzelpersonen erst am Anfang“, kritisierte Castellucci.

Paus sagte, entsprechende Gesetzesvorhaben befänden sich bereits in der Ressortabstimmung in der Bundesregierung. „Mag sein, dass Herr Castellucci das noch nicht mitbekommen hat, aber das ist derzeit der Stand der Dinge.“ Am Gesetzesvorhaben arbeite das Ministerium schon seit Frühjahr vergangenen Jahres. Eine Stärkung der staatlichen Institutionen bei der Missbrauchsaufarbeitung war auch Teil des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Grünen und FDP gewesen.

Castelluccis Vorwürfe folgen auf die Veröffentlichung der Forum-Studie zur sexualisierten Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der vergangenen Woche. „Wir dürfen nicht länger nur hinterherschimpfen, wenn Aufarbeitung unterbleibt oder unzulänglich erfolgt“, so der SPD-Abgeordnete. „Das Ausmaß und auch der Umgang mit sexualisierter Gewalt sind nicht nur in den Kirchen erschreckend und Aufarbeitung steht trotz engagierter Arbeit vieler Institutionen und Einzelpersonen erst am Anfang.“

In der ersten bundesweite Missbrauchsstudie für EKD und Diakonie fanden Wissenschaftler Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte in den Jahren 1946 bis 2020. Weil den Forschern nach eigenen Angaben von 19 der 20 deutschen Landeskirchen nur ein Teil der Akten zur Verfügung gestellt wurde, gehen sie von weit höheren Zahlen aus. Mit Hilfe einer Hochrechnung kommen sie auf fast 10.000 Betroffene, die in den Akten verzeichnet sein könnten.

Auch Paus äußerte erneut Erschrecken über die Zahlen. Gleichzeitig freue sie sich, „dass jetzt die evangelische Kirche das jetzt auch als Thema annimmt und zugesagt hat, jetzt auch an den Strukturen etwas zu ändern und konsequente Aufarbeitung zu machen.“