Margot Käßmann: Keine Waffenlieferungen an Israel

Mit ihrem Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine hat Margot Käßmann klar Position bezogen. Ihre Haltung gelte auch für Israel, sagt sie im Interview – und zeigt sich schockiert vom Israel-Hass.

Margot Käßmann bleibt bei ihrem Nein zu Waffenlieferungen
Margot Käßmann bleibt bei ihrem Nein zu Waffenlieferungenepd-bild / Norbert Neetz

Halten Sie das Vorgehen Israels für angemessen?
Ein Urteil steht mir nicht zu. Aber wer die Bilder der entsetzlichen, unfassbaren Gräueltaten der Hamas gesehen hat, kann zumindest nachvollziehen, wie Israel reagiert. Und die Folgen ihrer Taten für Zivilbevölkerung in Gaza waren den Terroristen doch klar. Was für ein brutales, menschenverachtendes Kalkül! Allerdings fürchte ich, dass wie in der Ukraine die Eskalationsspirale der Gewalt immer weitergedreht wird und ein Ende kaum absehbar ist. Darunter leiden immer die Schwächsten auf allen Seiten, vor allem die Kinder. Es bricht mir das Herz, dieses Leid zu sehen, in Israel wie in Gaza.

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine sprechen Sie sich kategorisch gegen Waffenlieferungen aus. Vor ein paar Tagen hat Israel Deutschland um Munition für Kriegsschiffe gebeten. Wie stehen Sie zu Waffenlieferungen an Israel?
Weiterhin bin ich der Meinung, dass Deutschland gut daran tut, aus unserem Land keine Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu liefern. Bis Februar 2022 war das Konsens. Ich bleibe ich auch jetzt dabei. Deutschland hat entschieden an der Seite Israels zu stehen. Aber in diesen Zeiten ständiger Eskalation von Waffengang zu Waffengang muss es noch Stimmen geben, die auf Mäßigung, Frieden und Versöhnung hinwirken. Es steht unserem Land und auch unseren Kirchen gut an, diese Stimme zu sein, selbst wenn sie verlacht wird.

Auf vielen pro-palästinensischen Demonstrationen wie hier in Berlin-Neukölln zeigte die Polizei starke Präsenz
Auf vielen pro-palästinensischen Demonstrationen wie hier in Berlin-Neukölln zeigte die Polizei starke PräsenzImago / A. Friedrichs

In Deutschland haben wir in den vergangenen Tagen viel Hass auf Israel gesehen. Was kann jeder einzelne von uns dagegen machen?
Jeder und jede von uns muss diesem Hass glasklar entgegentreten, in der Schule, am Arbeitsplatz, auf der Straße, in den Medien und auch in den so genannten sozialen Netzwerken. Hass zerstört die Seelen der Menschen, die Menschlichkeit. Das sehen wir in den Terrortaten. Israel ist ein wunderbares Land, ein Land, in dem Jüdinnen und Juden Zuflucht gefunden haben, als sie von Nazideutschland vernichtet wurden. Und auch ein Land, in dem Palästinenserinnen und Palästinenser in Frieden leben wollen. Am Montag haben wir in Leipzig für den Frieden im Nahen Osten gebetet. Das können wir an vielen Orten tun: Beten für die Menschen, die so unermesslich viel Leid erfahren, voller Angst sind.

Was kann die Kirche gegen Antisemitismus tun?
Jesus war Jude. Wir sind verpflichtet, als Christinnen und Christen gemeinsam mit Jüdinnen und Juden, für ihre Religionsfreiheit, die Freiheit ihres Lebens einzutreten. Die Kirchen haben daran so entsetzlich oft versagt, dass uns dieses Versagen Auftrag sein muss, heute klar Position gegen Antisemitismus und Antijudaismus zu beziehen.

Hat Sie der Hass auf Israel in diesem Ausmaß überrascht?
Das Ausmaß schockiert mich zutiefst. Doch gegen allen Anschein gegen all das Grauen von Terror, Gewalt und Krieg bleibe ich bei der Hoffnung, dass Menschen aller Religionen und Nationen in Frieden miteinander leben wollen und können. Ja, dass sie nicht mehr lernen werden, Krieg zu führen, wie es der Prophet Micha sagt. Wenn die Hoffnung auf Frieden verlorengeht, wird die Welt zu einem trostlosen Ort.