Margot Käßmann fordert Debatte zu US-Raketen in Deutschland
Ab 2026 wollen die USA Marschflugkörper in Deutschland stationieren. Unserer Gastautorin Margot Käßmann fehlt der Aufschrei. Sie fordert: Es brauche auch innerkirchliche Diskussionen.
Dass der Bevölkerung ohne öffentliche Debatte, auch ohne Debatte des Deutschen Bundestages am Rande des Nato-Gipfels 2024 schlicht mitgeteilt wurde, dass die USA ab 2026 wieder landgestützte Raketen in Deutschland stationieren werden, halte ich für problematisch. Wo bleibt der Aufschrei, die demokratische Debatte, frage ich mich. Lassen wir uns alle in die „Verantwortungslosigkeit hineinschläfern“, wie der Theologe Friedrich Siegmund-Schultze einmal formulierte?
Mit diesen US-Langstreckensystemen solle eine „Fähigkeitslücke“ geschlossen werden, heißt es in der Begründung. Zum einen wird selbst von Militärexperten eine solche Fähigkeitslücke bezweifelt. Zum anderen scheint mir die Fähigkeitslücke derzeit eher bei Fragen von Abrüstung, Diplomatie und Frieden-Schaffen zu bestehen. Befremdlich ist bei alledem nicht nur die fehlende politische und öffentliche Debatte, sondern auch die Tatsache, dass ganz anders als beim Nato-Doppelbeschluss von 1979 mit der Stationierungsentscheidung keinerlei Verhandlungsangebot an Russland einherging. So entwickelt man keine Rüstungskontrolle, sondern Rüstungswettlauf.
Käßmann: Deutschland könnte zum Schlachtfeld werden
Mit den Marschflugkörpern, die auch nuklear bestückt werden können, und Hyperschallwaffen, die Reichweiten von bis zu 3000km haben, kann Moskau erreicht werden. Und in der Folge kann Deutschland wie in den 80er Jahren zum Zentrum einer militärischen Auseinandersetzung, zum Schlachtfeld werden. Erinnert sei an das Szenario von „Fulda Gap“ (Anmerkung der Redaktion: Der Begriff „Fulda Gap“ steht bis heute als Synonym für die militärische Bedrohung an der osthessischen Grenze und das Schreckensszenario eines möglicherweise nuklear beantworteten Einmarsches der Truppen des Warschauer Pakts)
Auch beim Nato-Doppelbeschluss in den 80er Jahren gab es in unserer Kirche unterschiedliche Stimmen. Differierende Meinungen zu ethischen Fragen sind Teil der Diskurskultur einer Evangelischen Kirche. Aber dass die pazifistischen Stimmen auch in unserer Kirche eher Ja stetig unter den Verdacht von „Putinverstehern“ gestellt werden, halte ich für bedenklich. Schließlich berufen wir uns in der Verkündigung auf den, der gesagt hat „Steck das Schwert an seinen Ort“ und „Selig sind, die Frieden stiften“. Auf jeden Fall brauchen wir eine politische, gesamtgesellschaftliche, aber auch innerkirchliche offene und kontroverse Diskussion zu diesem Thema!