Lydia und das Christentum

Erste Christin in Europa. Gedanken zum Predigttext am Sonntag Sexagesimae. Von Günter Dimmler, Pfarrer im Ruhestand in Königssee in Thüringen.

Predigttext am Sonntag Sexagesimae: Apostelgeschichte 16,9–15

Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Stadttor an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. Und eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

Von Günter Dimmler

Eine erstaunliche Geschichte erzählt uns da Lukas. Ausgerechnet eine Frau kommt als erste in Europa zum Glauben. Sie ist von weiteren Frauen am Fluss umgeben, die am Sabbat zum Gebet versammelt sind. Aber ausgerechnet ihr öffnet Gott das Herz für das Evangelium von Jesus Christus. Die Botschaft von Jesu Liebe berührt sie und sie lässt sich mit ihrer ganzen Familie taufen. In der damals patriarchalisch strukturierten Gesellschaft ist sie offenbar die Chefin der Familie und der „Herr“ im Hause, denn sie lädt den Apostel Paulus mit seinem Gefolge in ihr Haus ein.Eine Frauengeschichte, die in der neuen Predigttextordnung aus der sechsten Reihe in die erste Reihe gerückt ist. Ja, in der urchristlichen Gemeinde spielten Frauen eine wichtige Rolle. So ist das auch heute in unserer evangelischen Kirche, die meisten Gottesdienstbesuchenden sind Frauen. Immer mehr Frauen übernehmen Leitungsaufgaben, werden Superintendentinnen, Pröpstinnen, Generalsuperintendentinnen, Bischöfinnen. Aber damals wie heute kommt es darauf an, dass Jesus durch die Kraft des Heiligen Geistes Menschen das Herz öffnet und sein Wort im Leben eines Menschen, ob Frau oder Mann, auf fruchtbaren Boden fällt. Mit Lydia beginnt die Ausbreitung des Evangeliums in Europa und wird immer wieder Menschen neu erreichen.

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