Luthers Theologie verstehen

UK 20/2017, Reformationsjubiläum (Seite 2: „Reformationsjubiläum als Gratwanderung“)
Voll zustimmen kann man der Forderung, „Luthers Lehre vom Zusammenhang von Freiheit, Glaube und Sünde neu für die Gegenwart zu formulieren“ (Gräb-Schmidt). Doch kommt es zunächst darauf an, „Luthers Lehre“ überhaupt erst einmal (wieder) zu verstehen. Für dazu besonders geeignet halte ich Luthers frühe Vorlesungen (Psalter, Römerbrief, Galaterbrief, Hebräerbrief), denn die Entwicklung eines Gedankengebäudes ist zugänglicher als deren fertige Form.
Luther löst sich hermeneutisch wie inhaltlich von der Tradition – hermeneutisch durch christologische Konzentration sowie existenziale Interpretation; inhaltlich in etwa durch folgende Abfolge:

– seine Sündigkeit (= Gottesferne erkennen und annehmen);
– von daher Anerkenntnis von Gottes Schuldspruch;
– zugleich damit Erfahrung von Gottes Gnade;
– dadurch wiederum Einsicht in die „Gerechtigkeit Gottes“ (iustitia dei) – offenbart in Christus Jesus (dem „Photo“ Gottes);
– woran zu glauben nun leichtfallen sollte (dank des Heiligen Geistes),
– sodass es zu neuer und tieferer Freiheit des (christusgläubigen) Menschen kommt.
Offensichtlich sind also Demut und Bereitschaft zur Fügung in Gottes Wille existenzielle menschliche Voraussetzungen für das Verständnis von Luthers Theologie.

Dr. Dieter Burkert, Dortmund