Wenn am christlichen Adventskranz die dritte Kerze brennt, entzünden Jüdinnen und Juden die erste Kerze am Chanukka-Leuchter. Am Sonntagabend beginnt das Lichterfest Chanukka, das in diesem Jahr bis zum 22. Dezember dauert. Bis dahin werden es acht Kerzen sein, die nach und nach abends am Leuchter angezündet werden. Um die Dunkelheit zu erhellen, aber auch im übertragenen Sinne Licht in dunkle Zeiten zu bringen, so die Idee.
“Es ist ein Zeichen der Hoffnung: Schon ein kleines Licht reicht, um einen großen dunklen Raum zu erhellen”, sagt der orthodoxe Rabbiner der Synagogengemeinde Konstanz, Avraham Yitzchack Radbil. “Jeder von uns trägt das kleine Licht in sich selbst, es muss immer brennen und darf niemals verlöschen.” Radbil blickt in dem Zusammenhang auch auf aktuelle Kriege und Konflikte, etwa in Nahost und in der Ukraine, aus der Radbil selbst stammt.
Rabbiner Radbil über die Botschaft des Chanukka-Fests
Als er zwölf Jahre alt war, wanderte Radbil, Jahrgang 1984, mit seiner Familie aus Mohyliw-Podilskyj an der Grenze zur Republik Moldau nach Deutschland aus. “Die dunklen Zeiten in der Ukraine sind leider noch nicht vorbei, die Stimmung ist nicht gut”, beschreibt er die Lage. Das Land sei wegen des Krieges geplagt. Auch hier setzt der Rabbiner auf die Hoffnung: “Das ist die Message von Chanukka: Auch wenn es dunkel aussieht, kann sich schnell etwas ändern.”
Ob das jedoch mit dem umstrittenen 28-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump zur Beendigung des russischen Angriffskrieges gelingen kann, bezweifelt auch Radbil. Vielleicht sei das kurzfristig möglich, um die Ukrainer von russischen Raketen zu befreien, aber langfristig wohl eher nicht. Der Rabbiner befürchtet, dass Teile des Plans eine “Einladung für die Nachbarn” sein könnten, die Ukraine wegen einer womöglich verminderten Zahl an Streitkräften doch wieder anzugreifen.

Aber: “Wir sehen im Laufe der Geschichte, dass es Menschen immer wieder geschafft haben, aus schrecklichen Dunkelheiten herauszukommen”, betont Radbil. Er verweist vor allem auf Überlebende der Schoah – und den “göttlichen Funken”, der in jedem Menschen vorhanden sei und auf den man den Fokus richten solle.
Traditionelle Chanukka-Dekorationen und ihre Symbolik
Der Funke und das Licht: Wie im Christentum im Advent und zu Weihnachten werden sie auch im Judentum zu Chanukka mit Dekoartikeln symbolisiert – die sich mitunter ähneln. Da sind die Kerzen, aber auch Gebäck und Ausstechformen mit festlichen Motiven, Schneekugeln, Lichterketten, schön gestaltete Postkarten und teilweise auch Chanukka-Kalender oder Säckchen mit kleinen Geschenken.
Zu diesen Ähnlichkeiten sagt Rabbiner Radbil: “Wir leben seit sehr langer Zeit zusammen, und natürlich interagiert man.” Hinzu komme, dass Chanukka, Advent und Weihnachten in dieselbe Zeit fielen, wenn die Tage kurz und die Nächte lang seien. Teilweise habe man miteinander gefeiert und auch bestimmte Dinge voneinander übernommen.
Chanukka-Fest: Zwischen Tradition und modernen Bräuchen
Manche sprechen daher ironisch bis liebevoll von “Weihnukka”. Auch dazu gibt es etwa Grußkarten mit Weihnachtsbaum und Davidstern und Chanukka-Symbole als Schmuck für den Tannenbaum. Allerdings ist all das umstritten. Jüdinnen und Juden, die “Weihnukka” befürworten, verweisen auf ein christlich geprägtes Umfeld, etwa in Deutschland, und religiös gemischte Familien. Rabbiner Radbil sieht das anders: Man habe dann weder das eine so richtig vor Augen noch das andere, vom Ursprünglichen gehe etwas verloren. Auch in gemischten Familien könne man die Feste mit Freude einzeln feiern.
Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, erinnert sich an das vergangene Jahr, als Chanukka und Weihnachten zeitlich zusammenfielen. “Dies hat mir viel Freude bereitet, da ich wusste, wir feiern Chanukka und meine Freunde und Nachbarn das Weihnachtsfest”, schreibt er in dem aktuellen Heft “Adventszeit” des Erzbistums Köln.
Lehrer erklärt, wie es an Chanukka-Abenden in seiner Familie zugeht, mit traditionellen Speisen, erzählten Texten und Kindern, die Geschenke auspacken. Wie vermutlich an Weihnachten auch sei dann der Zimmerboden “übersät mit aufgerissenem Geschenkpapier und Schleifen”.
